Erhöht die Pille das Risiko für Angststörungen?

Orale Kontrazeptiva greifen erheblich in den Hormonhaushalt ein. Jetzt gibt es Hinweise darauf, dass sie auch die Emotionsregulation verändern und Angsterkrankungen begünstigen könnten.

Wie viele Frauen nehmen die Pille?

Löst die Pille Angststörungen aus?

Angst ist eine zentrale Grundemotion, die überlebenswichtig sein kann. Übermäßige Angstreaktionen dagegen, die ihren realen Bezug verloren haben, sind psychisch und sozial stark belastend. Charakteristisch für Angststörungen ist eine unzureichende Emotionsregulierung, die zur Aufrechterhaltung von Angstsymptomen führt. Sie treten bei Frauen häufiger auf. Ob das auch an der Pille liegen könnte, ist nicht leicht zu beantworten.

Das kanadische Forscherteam rekrutierte für seine Untersuchung gesunde Erwachsene im Alter von 23 bis 35 Jahren, darunter:

Wie verändert die orale Kontrazeption das Gehirn?

In der umfangreichen Studie, die Teil eines größeren Forschungsprojekts war, wurde u.a. mittels struktureller und funktioneller MRT-Untersuchungen nach hirnmorphologischen Korrelaten der Einnahme oraler Kontrazeptiva gesucht.

Dabei zeigten sich vor allem zwei Auffälligkeiten:

1. Volumen der grauen Substanz (GMV)

Im Bereich des dorsalen anterioren cingulären Kortex (dACC) wiesen alle drei Gruppen von Frauen eine größere GMV auf als die Männer. Die Region ist mit dem Ausdruck und der Bewertung von Angst verbunden und gilt als angstfördernd. Je größer das Volumen, umso stärker der Einfluss. Diesen Zusammenhang konnte man bei Angstpatienten bereits zeigen.

2. kortikale Dicke (CT)

Hier wurden Veränderungen im Bereich des ventromedialen präfrontalen Kortex (vmPFC) sichtbar, diesmal allerdings nur bei denjenigen Frauen, die aktuell hormonell verhüteten. Die Region war bei ihnen dünner als in der Gruppe der Männer und der anderen Frauen. Der vmPFC ist im Gegensatz zum dACC angsthemmend. Je dicker die Region, desto besser funktionieren Furchtlöschung und Resilienz nach einer Traumaexposition und desto geringer ist die Gefahr einer Generalisierung von Furcht.

Was bedeutet das für den Zusammenhang von Pille und Angst?

Die Forscher ziehen daraus folgende Schlüsse: Zum einen scheint es grundsätzliche Geschlechterunterschiede bei angstbezogenen Psychopathologien zu geben. Was empirisch bereits untersucht ist, könnte sich anhand der Ergebnisse nun hirnmorphologisch erklären lassen: Das größere dAAC-Volumen bei Frauen stellt womöglich eine weibliche Prädisposition für Angsterkrankungen dar.

Zum anderen könnte diese erhöhte Anfälligkeit durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva noch verstärkt werden. Dafür spricht die Ausdünnung der angsthemmenden Region des vmPFC allein bei Frauen, die die Pille aktuell einnahmen. Da die Veränderung nicht bei ehemaligen Anwenderinnen beobachtet wurde, scheint der Effekt reversibel zu sein.

Allerdings geben die Wissenschaftler zu bedenken, dass bei der Interpretation von Zusammenhängen zwischen Hirnmorphologie und Verhalten Vorsicht geboten ist. Zu komplex und multifaktoriell seien die emotionalen Schaltkreise, als dass sie sich allein auf einen Mechanismus zurückführen ließen.

Einfluss der Pille auf das Gehirn

Die Pille könnte Schlüsselregionen im Gehirn beeinflussen, die an der Ausprägung und Regulierung von Angst beteiligt sind. Vor allem während der Adoleszenz, wenn sich das Nervensystem noch entwickelt, könnten exogene Hormone bestimmte Areale empfindlich treffen. Das sollte in die Überlegungen mit einfließen, welche Verhütungsmethode junge Frauen am besten wählen.
 

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Quelle:

Brouillard A et al (2023): Morphologic alterations of the fear circuitry: the role of sex hormones and oral contraceptives. Front. Endocrinol. 14:1228504. doi: 10.3389/fendo.2023.1228504