Früherkennung des kolorektalen Karzinoms: Koloskopie bald obsolet?

Das kolorektale Karzinom gehört zu den am häufigsten auftretenden Krebsarten. Ein neues, nicht-invasives Screening-Verfahren mittels Bluttest könnte die Früherkennung revolutionieren.

Bluttest erreicht hohe Sensitivität bei Darmkrebs-Früherkennung 

Mit über 73.000 Neuerkrankungen und ca. 27.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland ist das CRC das dritthäufigste Karzinom des Mannes und das zweithäufigste der Frau. Trotz eines Rückgangs sowohl von Inzidenzraten als auch der absoluten Fallzahlen in den letzten Jahren sind in Deutschland noch immer fast 60 000 Fälle und 25 000 Todesfälle pro Jahr auf Darmkrebs zurückzuführen.1,2 

In der vorliegenden Studie wurde die Wirksamkeit eines Bluttests, der auf zellfreier DNA (cfDNA) basiert, untersucht. Mit einer Teilnehmerzahl von 10.258 Personen, von denen 7.861 die Einschlusskriterien erfüllten und ausgewertet werden konnten, zeigte der Test eine Sensitivität von 83,1% bei der Erkennung von Darmkrebs. Bei Frühstadien des Darmkrebses erreichte die Sensitivität sogar 87,5%. Allerdings war die Sensitivität bei der Erkennung von fortgeschrittenen präkanzerösen Läsionen mit 13,2% deutlich niedriger. Die Spezifität des Tests, also die korrekte Identifizierung von Personen ohne neoplastische Veränderungen, lag bei 89,6%.3 Diese Ergebnisse unterstreichen das Potenzial des cfDNA-Bluttests als Instrument zur Verbesserung der Screening-Adhärenz und zur frühzeitigen Erkennung von Darmkrebs, was letztlich die mit dieser Krankheit verbundene Sterblichkeitsrate senken könnte.

Was ist die zellfreie DNA (cfDNA) und wie wird sie momentan eingesetzt?

Die zellfreie DNA ist ein Gemisch aus extrazellulären DNA-Molekülen, die in Körperflüssigkeiten, einschließlich Plasma und Urin, gefunden werden. Plasma-cfDNA hat bisher die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen und besteht aus DNA-Molekülen, die aus verschiedenen Geweben des Körpers freigesetzt werden. Damit bietet sie eine Quelle für nicht-invasive Probenentnahmen, die Einblicke in physiologische und pathologische Prozesse geben könnten. Kurze Fragmente von DNA-Molekülen machen den Großteil der cfDNA aus.

Die cfDNA wurde in der Pränatalen Diagnostik weitgehend integriert. Während der Schwangerschaft wird fetale cfDNA zusammen mit Fragmenten von mütterlicher cfDNA im Plasma der schwangeren Person gefunden: Die Analyse der fetalen cfDNA ist die Basis für nicht-invasive pränatale Tests auf fetale chromosomale Aneuploidie und monogenetische Krankheiten. Eine andere derzeit in Entwicklung befindliche Anwendung ist die Erkennung von cfDNA nach einer Organtransplantation: Das Vorhandensein von cfDNA, die vom transplantierten Organ stammt, im Plasma des Empfängers kann als Marker für eine Transplantatabstoßung verwendet werden.

Limitationen des Einsatzes von cfDNA bei der Darmkrebs-Früherkennung

Obwohl Chung et al. die Machbarkeit des Einsatzes von Plasma-cfDNA zur Vorsorgeuntersuchung auf Darmkrebs demonstriert haben, ist die relativ niedrige Sensitivität bei der Erkennung von fortgeschrittenen präkanzerösen Läsionen eine Einschränkung. Darüber hinaus erkennt eine Koloskopie solche Läsionen nicht nur mit hoher Sensitivität, sondern ermöglicht auch deren sofortige Entfernung. Die Nicht-Invasivität des Plasma-cfDNA-Tests ist jedoch ein Merkmal, das wahrscheinlich zu einer größeren Akzeptanz als bei der Koloskopie führen wird.

Die Möglichkeit, dass falsch positive Ergebnisse von Personen mit Nicht-Darmkrebs-Tumoren auftreten könnten, stellt eine weitere Limitation dar. Tatsächlich wurden abweichende Methylierungs- und Fragmentomik-Profile für mehrere Tumorarten berichtet. 

Laut Chung et al. empfiehlt der Hersteller des Tests einen 3-Jahres-Intervall zwischen den auf cfDNA basierenden Screenings für Darmkrebs. Es wäre entscheidend, die wissenschaftliche Begründung hinter einer solchen Empfehlung zu prüfen. 

Fazit für die Praxis: Bluttest für Darmkrebs hoffnungsvoll, aber weiter ausbaufähig

Die Studie über den Einsatz von cfDNA-Bluttests zur Früherkennung von Darmkrebs zeigt vielversprechende Ergebnisse, insbesondere eine hohe Sensitivität und Spezifität bei der Identifizierung von Krebsfällen.3 Die Einschränkungen, wie die niedrige Sensitivität bei der Erkennung fortgeschrittener präkanzeröser Läsionen, unterstreichen jedoch die Notwendigkeit weiterer Forschung und Verbesserung. Die Nicht-Invasivität des Tests könnte zu einer höheren Akzeptanz und Screening-Teilnahme führen, was potenziell die Früherkennungsrate erhöht und die Mortalitätsrate senkt. Zukünftige Untersuchungen sollten sich auf die Anpassung des Screening-Intervalls basierend auf individuelle Risikoprofile und die Vermeidung falsch positiver Ergebnisse konzentrieren.

Referenzen:
  1. Incidence and mortality of proximal and distal colorectal cancer in Germany—trends in the era of screening colonoscopy Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 281-7; DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0111
  2. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Darmkrebs/darmkrebs_node.html
  3. Chung DC, Gray DM 2nd, Singh H, Issaka RB, Raymond VM, Eagle C, Hu S, Chudova DI, Talasaz A, Greenson JK, Sinicrope FA, Gupta S, Grady WM. A Cell-free DNA Blood-Based Test for Colorectal Cancer Screening. N Engl J Med. 2024 Mar 14;390(11):973-983. doi: 10.1056/NEJMoa2304714. PMID: 38477985.