Mikrobiota als Therapieoption – nicht nur in der Gastroenterologie

Das maligne Melanom mittels Stuhltransplantation heilen: Klingt abwegig? Neueste Studienergebnisse zeigen, welches Potenzial in Mikroorganismen steckt.

Mikrobiota und Mikrobiom

Stattliche 2 kg wiegen in etwa sämtliche Bakterien, die wir in uns tragen. Das ist mehr als das Gehirn (ca. 1,5 kg) und ungefähr soviel, wie die Leber wiegt. Dass die Mikroorganismen im menschlichen Körper nicht nur vergleichbar schwer sind, sondern auch eine ähnlich große Bedeutung wie ein Organ haben, ist noch nicht allzu lange bekannt. Inzwischen weiß man aber, dass Dysbiosen der intestinalen Mikrobiota bei zahlreichen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen, und dass umgekehrt deren gezielte Modulation ein wirksamer Therapieansatz sein kann. Bisher sind die Anwendungen allerdings noch beschränkt.

Welche Optionen der Mikrobiotamodulation gibt es?

Im Wesentlichen gibt es bislang zwei Möglichkeiten, die Zusammensetzung der Mikroorganismen günstig zu beeinflussen:

  1. mit Probiotika: Darunter versteht man Zubereitungen, die lebende Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze als therapeutisches Agens enthalten. Bekannt ist etwa Escherichia coli Nissle 1917 oder die Hefe Saccharomyces boulardii.
  2. mittels fäkaler Mikrobiotatransplantation (FMT): Hierbei wird der Stuhl eines Spenders in den Darm eines (erkrankten) Empfängers übertragen. Was genau die positiven klinischen Effekte hervorruft, ist noch nicht vollständig geklärt. Jedenfalls wird die FMT u. a. bei der rezidivierenden Clostridioides-difficile-Kolitis mit Erfolgsraten von 70–95 % angewendet und ist für diese Indikation in den europäischen Leitlinien sowie von der US Food and Drug Administration (FDA) als Therapiemethode der Wahl anerkannt.

Bei welchen Erkrankungen spielt ein verändertes Mikrobiom eine Rolle?

Neben der C.-difficile-Kolitis gibt es zahlreiche weitere Erkrankungen, die mit einer Dysbiose der Mikroorganismen einhergehen. Dazu zählen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, das Reizdarmsyndrom oder die intestinale "Graft-versus-host disease" im Rahmen einer allogenen Stammzelltransplantation. Auch hier wurden in Studien zum Teil positive Effekte durch die FMT erzielt, die jedoch noch nicht gesichert sind.

Besser belegt ist die Wirkung von Probiotika bei bestimmten Erkrankungen. So ist Escherichia coli Nissle 1917 zur Remissionserhaltung bei Patienten mit Colitis ulcerosa zugelassen. Es zeigt in Studien eine ähnliche Effektivität wie Mesalazin. Für Saccharomyces boulardii wiederum ist die Wirksamkeit bei akuter Diarrhoe belegt. Es kann vor allem bei Kindern die Symptomatik mildern und verkürzen, indem das Mikrobiom wieder ins Gleichgewicht gebracht wird.  

Doch die Bedeutung unserer mikroskopisch kleinen Mitbewohner geht weit über den Gastrointestinaltrakt hinaus. Das zeigen Therapieerfolge bei der hepatischen Enzephalopathie, bei neuropsychiatrischen Erkrankungen – und eben auch beim malignen Melanom. Aktuelle Wirksamkeitsstudien konnten tatsächlich zeigen, dass die FMT bei therapierefrakrären Melanompatienten positive Effekte erzielt. Eingeschlossen waren Patienten mit metastasiertem Hautkrebs, die nicht auf die Immuntherapie ansprachen. Etwa ein Drittel von ihnen wurde nach der Stuhltransplantation zu Therapierespondern.

Fazit für die Praxis

Das menschliche Mikrobiom und mikrobiotaorientierte Therapien sind ein faszinierendes Forschungsfeld. Dabei sind die pathophysiologischen Zusammenhänge und die Mechanismen hinter den einzelnen Therapieansätzen erst in Ansätzen verstanden. Doch schon die bisherigen klinischen Erfolge lassen das große Potenzial von Mikrobiota als Therapieoption erahnen.
 

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