Adipositas-Medikamente als Kassenleistung?

Die Debatte um die Kostenübernahme von Medikamenten zur Behandlung von Übergewicht erreicht eine neue Intensität. Welche Rolle spielen dabei die jüngsten medizinischen Innovationen und wer wird für diese Therapien aufkommen?

Adipositas-Therapie: Wer übernimmt die finanzielle Verantwortung?

In der Koalition entwickelt sich eine Debatte darüber, ob der Lifestyle-Paragraf 34 Absatz 1 SGB V modifiziert und die in jüngster Zeit zugelassenen Innovationen zur Behandlung von Diabetes und Adipositas – Semaglutid von Novo und Tirzepatid von Eli Lilly – als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung für die Indikation  Adipositas erstattet werden sollen. So plädierte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Professor Andrew  Ullmann, dafür, dass Abnehmspritzen nicht mehr als Lifestyle-Medikamente betrachtet werden sollten, sondern "als Teil eines umfassenden Ansatzes zur Behandlung schwerer Adipositas  und zur Verhinderung von Folgeerkrankungen" von den Kassen bezahlt werden sollten. 

Adipositas als Krankheit 

Neben der Entwicklung neuer hochpotenter Arzneimittel, die jüngst auf den Markt gekommen sind, ist auch der Erkenntnisfortschritt über die Entstehung und Manifestation von Adipositas in der medizinischen Wissenschaft ausschlaggebend für die Debatte um die Erstattung. Adipositas wird heute von der Medizin als Krankheit und nicht mehr primär als selbstverschuldetes Fehlverhalten verstanden. Die Betroffenen leiden unter einem kaum noch steuerbaren Esszwang aufgrund von Fehlregulationen zwischen Gehirn und Verdauungssystem. Und Adipositas ist inzwischen nachgewiesenermaßen ursächlich für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs und verursacht daher massive Folgekosten. 

Aktuelle Entwicklungen bei der Adipositas-Behandlung

Diese Umstände waren 2003, als der Lifestyle-Paragraf ins Gesetz kam, unbekannt; außerdem gab es keine wirksamen Arzneimittel gegen Adipositas. Getriggert wurde die damalige Gesetzgebung vielmehr von kurz zuvor eingeführten hochwirksamen Wirkstoffen gegen erektile Dysfunktion. Der Versuch des Gemeinsamen Bundesausschusses, diese PDE-5-Hemmer als Leistung der GKV durch die Arzneimittelrichtlinie auszuschließen, scheiterte vor dem Bundessozialgericht mangels einer hinlänglichen gesetzlichen Befugnis des Bundesausschusses. Entsprechend rigide  fiel die Entscheidung des Gesetzgebers vor mehr als 20 Jahren aus, der, wie eine im März getroffene Ausschlussentscheidung gegen Semaglutid (Wegovy) zeigt, dem Bundesausschuss keinen Spielraum lässt.