Onkologische Pflege stärken trotz Personalmangels

Zwischen Fachkräftemangel und steigenden Fallzahlen muss die Onkologie einen höheren Grad an Spezialisierung in der Pflege erreichen. Weshalb mehr Nachwuchs und Geld allein wenig helfen werden, erklärt der Präsident der OeGHO, Prof. Dr. Wolfgang Hilbe.

Interview mit Prim. Univ.-Prof. Dr. med. Wolfgang Hilbe

Der gebürtige Tiroler Prof. Wolfgang Hilbe ist der derzeitige Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO). Seit Jahren bereits engagiert er sich zudem für neue Lösungsansätze in der Onkologie, um den Herausforderungen der Zukunft ressourcenschonend und auf qualitativ hohem Niveau begegnen zu können.

Eckpunkte einer spezialisierten onkologischen Pflege

Es geht um Qualität und nicht nur Quantität 

Der Nachwuchs in Onkologie und Pflege ist notwendig und auch wichtig für die Zukunft der onkologischen Versorgung. Allerdings können weder mehr junge Ärztinnen und Ärzte noch mehr Pflegefachkräfte das Problem lösen. Der aktuell in Österreich und auch in Deutschland vorherrschende Fachkräftemangel in der onkologischen Pflege ist durch neues Personal und Geld allein nicht lösbar.

Die onkologische Versorgung und Pflege stellen sehr hohe Ansprüche an das Wissen der Ärzteschaft und des Pflegepersonals. Um hier als Expertin oder Experte zu gelten, bedarf es einer fast 15-jährigen Erfahrungs- und Lernkurve, welche Nachwuchskräfte so nicht vorweisen können. 

Daher sollte das vornehmliche Ziel sein, Fachkräfte weiterzubilden, ihnen Anreize und Perspektiven zu eröffnen und dadurch das Berufsbild der onkologisch geschulten Pflegefachkraft auch attraktiver zu machen. Besonders geschulte Pflegefachkräfte, zum Beispiel auch im Bereich der komplementären Onkologie, können zudem teilweise die Ärzteschaft entlasten, wodurch diese sich wiederum mehr auf die Therapie der Patientinnen und Patienten konzentrieren kann. Wie gut eine solche Arbeitsteilung im Klinikalltag funktioniert, zeigt das Beispiel der "Cancer Nurses" aus dem anglo-amerikanischen Raum. 

Die "Cancer Nurse" – Ein Erfolgsschlager aus Übersee?

Die "onkologische Pflegefachkraft" oder "Cancer Nurse" übernimmt die Befundeingabe und Zuweisung der Patientinnen und Patienten in der onkologischen Klinik. Sie sichtet und sortiert Vorbefunde, lädt Dateien aus der Bildgebung hoch und kümmert sich um die "Befindlichkeiten" der Patientinnen und Patienten.

Vorteil dieser Vorarbeit ist, dass die onkologischen Expertinnen und Experten ihre Patientinnen und Patienten anschließend bereits in Grundzügen kennen und sich somit mehr auf die Therapieplanung und die individuellen Bedürfnisse einlassen können.

Doch auch in der Nachsorge sowie in der ambulanten Krebsversorgung nehmen die "Cancer Nurses" eine hohe Stellung ein. Sie können z.B. Hausbesuche machen, nach dem Befinden fragen oder sich um die nächste Medikamentendosis kümmern. Dadurch stellt das spezialisierte onkologische Pflegepersonal eine wichtige Schnittstelle zwischen Arzt und Patient dar, ist jedoch gleichzeitig auch ein niedrigschwelliges Angebot in der Patientenversorgung und verbessert die Anbindung der Tumorpatientinnen und -patienten an die Tagesklinik.

"Insgesamt betrachtet ist die onkologische Pflegekraft aufgrund ihrer Spezialisierung und Erfahrung im Fachgebiet ein Ausdruck von Qualität und nicht so sehr von Quantität im Gesundheitswesen. Aber selbstverständlich braucht es darüber hinaus auch den fachlichen Nachwuchs, um die Qualität von morgen aufrechterhalten zu können", so Prof. Hilbe zum Abschluss.

Mehr vom DGHO-Kongress 2022: 


Weitere Beiträge finden Sie auf unserer Kongress-Seite zur DGHO 2022.