ESC-Guidelines: Therapie der Herzklappeninsuffizienz

Wie die Empfehlung der neuen ESC-Leitlinie zur Therapie der Mitralklappeninsuffizienz lautet und wann auch eine asymptomatische Erkrankung operiert werden sollte, lesen Sie in folgendem Beitrag.

Das sollten Sie über die Behandlung der Herzklappeninsuffizienz wissen:

Aortenklappeninsuffizienz in der Praxis

Wann eine Aortenklappeninsuffizienz (AI) interventionspflichtig wird und wann nicht, stellt so manche vor eine Herausforderung. Die strukturierte Anleitung der ESC-Leitlinie kann hier bei der Entscheidungsfindung helfen. 

Demnach wird empfohlen, nach Klassifizierung des Schweregrades der AI bei symptomatischer hochgradiger Stenose, unabhängig von der linksventrikulären Funktion, den Betroffenen eine OP zu empfehlen. Alternativ kann in erfahrenen Zentren auch die Versorgung mit einer TAVI-Prothese (Transcatheter Aortic Valve Implantation) erfolgen, falls für diese Personen eine Aortenklappenrekonstruktion nicht infrage kommt. 

Asymptomatische AI: Wann OP?

Allerdings liegt nicht nur bei Beschwerden durch die Klappenerkrankung die Indikation zur operativen Therapie vor. Auch eine asymptomatische AI kann unter bestimmten Umständen ein interventionelles Vorgehen erfordern. 

Diese sind laut ESC-Leitlinie:

Warum auch asymptomatische Klappenvitien behandelt werden sollen, lässt sich an den Ergebnissen von diversen Studienarbeiten erklären. Wie bereits bekannt, geht die AI mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher. Darüber hinaus ließ sich nachweisen, dass Individuen mit AI, die zwar nicht symptomatisch, aber aufgrund einer links-ventrikulären Dilatation operiert wurden, ein besseres Outcome hatten als jene Personen, die bereits symptomatisch waren, eine Aortendilatation aufwiesen oder unter einer eingeschränkten Pumpfunktion litten. 

Mitralklappeninsuffizienz im Fokus

Nicht nur bei der Therapieentscheidung der AI, sondern auch bei der Mitralklappeninsuffizienz (MI) wird in der ESC-Leitlinie zugunsten einer frühzeitigen Intervention entschieden. 

Wird etwa eine hochgradige, symptomatische MI diagnostiziert, ist prinzipiell die operative Behandlung angeraten. Abhängig von der individuellen Risikoeinschätzung kann die Entscheidung je nach Gesundheitszustand des Patienten zugunsten einer Operation, dem Edge-to-Edge-Verfahren (bei hohem OP-Risiko) oder ggf. einem palliativen Vorgehen gefällt werden.

Asymptomatische MI als OP-Indikation

Im Falle einer asymptomatischer MI muss analog zum Vorgehen bei der AI die Funktion und Dimension des linken Ventrikels berücksichtigt werden. Wenn eine hochgradig primäre MI vorliegt und eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist, wird die Empfehlung zur OP bzw. zum Edge-to-Edge-Eingriff ausgesprochen:

Auch für eine Intervention noch vor der ersten Symptomatik belegen Studien ein positives Outcome. So hat sich etwa gezeigt, dass der vergrößerte LVESD und die Erweiterung des linken Vorhofs prognostisch wichtige Parameter sind. 

Fazit für die Praxis

Diverse Studien konnten bereits einen Prognosevorteil für Erkrankte belegen, die frühzeitig in noch asymptomatischem Stadium operiert wurden. Die ESC-Leitlinie berücksichtigt diese Erkenntnisse und zählt – nach Erfüllung bestimmter Grundvoraussetzungen – die asymptomatische AI und asymptomatische primäre MI – den interventionspflichtigen Erkrankungen zu. Wichtig ist hierbei insbesondere auf den LVESD in der Echokardiografie zu achten. Dieser muss für eine OP-Indikation über 40 mm bei primärer MI und über 50 mm bei AI (alternativ > 25 mm/m2) liegen.

Quelle:
Tichelbäcker, Tobias, Dr. med., Uniklinik Köln, Die neuen ESC Guidelines – fallbasiert diskutiert für Young Cardiologists, 88. Jahrestagung der DGK, Mannheim, 21.04.2022