Wege in die Niederlassung

Den Sprung von der Klinik in die eigene Praxis oder ins MVZ wagen? Zwei Kardiologinnen berichten auf der DGK-Jahrestagung von ihren Erfahrungen und warum sie diesen Schritt nie bereut haben. Sie geben wertvolle Tipps für Nachahmer.

Wege aus der Klinik: Persönliche Gründe und berufliche Veränderungen

Annette Vágner, die sich 2006 auf die Warteliste für einen kardiologischen Sitz eintragen ließ, nennt folgende Gründe für ihren Niederlassungswunsch: 

Andrea Fister, die inzwischen beim MVZ Kardiologie in Peine angestellt ist, beschloss die Klinik zu verlassen, als 2019 der Chef mitteilte, dass er die Klinik verlassen wird. „Das war ein sehr familienfreundlicher Chef, das Arbeiten war mit Kindern gut möglich“, so Fister. Sie war zu dieser Zeit als Oberärztin tätig, sowohl invasiv als auch nicht-invasiv. Fister bewarb sich beim örtlichen MVZ und wollte zu 50 % im MVZ und zu 50 % weiterhin im Klinikum Peine arbeiten. Sie erhielt die Zusage und begann im April 2020 zunächst in beiden Einrichtungen zu arbeiten. Vágner legte 2013 ihre Prüfung in internistischer Intensivmedizin ab, arbeitete lange in der Klinik und bekam schließlich im November 2019 einen kardiologischen Sitz, im April 2020 folgte die Praxisübernahme. 

Heutzutage lässt sich doch niemand mehr alleine nieder …

Vágner berichtet, dass sie beim DGK 2018 eine Unterhaltung aufgeschnappt habe: „Heutzutage lässt sich doch niemand mehr alleine nieder…“. Wenig ermutigend sei auch der Rat eines alten Studienfreundes gewesen, der der Überzeugung war, dass sich die finanziellen Investitionen nicht lohnen werden. Sie könne stattdessen sofort als Hausärztin anfangen und habe viel niedrigere Kosten. 

Wie Vágner berichtet, war die nicht-invasive Kardiologie damals das einzig denkbare Gebiet, in dem sie langfristig arbeiten wollte. Ihre Entscheidung für die Niederlassung nennt sie ihr „persönliches Kilimandscharo-Projekt“. Sie wollte gestalten und selbst entscheiden können, etwa ob und wann man auf eine Fortbildung gehen kann und nicht mehr – wie in der Klinik – darum kämpfen müsse. Nach mittlerweile fünf Jahren in ihrer Praxis stellt sie aber auch fest, „dass es ein Privileg ist, Menschen in ihrem Leben begleiten zu dürfen“, berichtet Vágner.

Ebenfalls im April 2020 begann Fister ihren „Sprung ins eiskalte Wasser“. Ihre Klinik hatte kurz zuvor Insolvenz angemeldet. Dort war sie zu diesem Zeitpunkt für eine COVID-19-Abteilung tätig. Durch den Corona-Lockdown war unklar, ob die Praxis geschlossen werden muss und ob die Angestellten in Kurzarbeit gehen müssen. „Der Beginn war ernüchternd.“ Ein halbes Jahr später entschied sich Fister, ganz in die Praxis zu wechseln, weil es ihr dort besser gefiel und in der Klinik weiterhin das Insolvenzverfahren anhängig war.
Rückblickend sei sie eher unvorbereitet gewesen, sagt Fister. Die Ärztekammer hatte ihr zwar alle Fortbildungszertifikate für Untersuchungen bescheinigt. Bei der Anmeldung bei der KV hieß es jedoch, dass erstmal geprüft werden müsse, ob sie diese Untersuchung machen und abrechnen dürfe. Die Echokardiographien wurden ihr genehmigt, aber für die Karotis-Doppler-Untersuchung, die sie in der Klinik jahrelang durchgeführt hatte, musste sie eine Prüfung ablegen. 

Die KV sei da teilweise etwas anders als die Ärztekammer, aber in der Regel funktioniere die Übernahme insgesamt gut. Die auftretenden Verzögerungen führt Fister auf die COVID-19-Pandemie zurück. Sie arbeitet inzwischen Vollzeit im MVZ und hat dennoch mehr Zeit für sich und ihre Familie. „Die Patienten nehmen mich wahr. Auch diese Wertschätzung hat mir ein anderes Arbeiten ermöglicht, so dass ich glücklicher nach Hause gehe“, berichtet sie.

Hürden auf dem Weg zur Praxis

Vágners Idee der Niederlassung wurde 2017 konkret, als in ihrer Klinik ein Flyer zu einer Tauschbörse auslag. Angekündigt wurde darin eine Informationsveranstaltung zum Thema Niederlassung. „Die Veranstaltung war sehr informativ, und der beratende Anwalt gab den Ausschlag, dass ich mich auf das Projekt eingelassen habe“, berichtet Vágner. Ende November 2019 bekam Vágner den Sitz, da ein Kardiologe, der seine Praxis abgeben wollte, Kontakt zu eben jener Anwaltskanzlei aufgenommen hatte. Auch Vágner hat die COVID-19-Pandemie als erhebliche Hürde in Erinnerung. 

Vágner arbeitete von Januar bis April 2020 13 Wochenstunden in der Praxis mit. Es sei kaum möglich gewesen, sich richtig einzuleben und auch die MFAs kennenzulernen. „Wir mussten alle mit Maske arbeiten, da war es nicht so einfach, Kontakt herzustellen.“ In diesen drei Monaten sei sie von den Niederlassungsberatern ihrer KV gebrieft worden: „Ich hatte lange To-do-Listen mit Aufgaben, die zu erledigen waren. Im Nachhinein muss ich sagen, dass das nicht reicht, wenn man eine Praxis übernimmt“, so Vágner. Was sie gerne vorher gerne gewusst hätte? „Ich würde heute jeden Stein in der alten Praxis umdrehen und schauen, ob das alles so passt.“ 

Young BNK: Noch vor der Niederlassung auf Tuchfühlung gehen

Vágner bereut den Schritt in die Selbstständigkeit nicht und würde sich wieder dafür entscheiden. Glecihes gilt für Fister, die aber „nicht mehr so unvorbereitet an die Sache herangehen“ würde. Ihr Rat: im Vorfeld den Kontakt zu Kollegen und Mentoren suchen. Auch Vágner würde sich heute direkt an den Bundesverband Niedergelassener Kardiologen e. V. (BNK) und den Young BNK wenden. 

Der BNK ist der größte Kardiologenverband auf vertragsärztlicher Ebene in Deutschland und repräsentiert mit über 1.200 Mitgliedern mehr als 90% der kardiologischen Praxen. Der Young-BNK ist eine Gruppe von Kardiologen, die ambulant tätig sind (selbstständig niedergelassen oder angestellt in einer Praxis). Die Gruppe unterstützt dabei, sich besser in die Tätigkeit im ambulanten Bereich hineinzufinden und den komplexen Herausforderungen gerecht zu werden. 

Quellen:
  1. 91. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), 23. bis 26. April, Congresscentrum Rosengarten, Mannheim.
    https://herzmedizin.de/fuer-aerzte-und-fachpersonal/kongresse/dgk-jahrestagung-2025.html
    Sitzung: Pulse of practice: meine Niederlassung, 24. April.

https://www.bnk.de/ (BNK)