Therapie des Brustkrebses: für jede Frau die richtige Behandlung finden

Schon lange gilt bei Brustkrebs nicht mehr das Motto: one size fits all. Vielmehr wird immer mehr darauf geachtet, für jede betroffene Frau die richtige Therapie zu finden. Was der aktuelle Stand der Dinge ist, stellt Dr. Adrian Lee aus Pittsburgh (USA) vor.

Interview mit Dr. Adrian Lee

Insbesondere bei älteren Frauen ist weniger manchmal mehr

Nicht jede Brustkrebserkrankung ist gleich. Und gleiches gilt auch für die erkrankten Patientinnen. Insbesondere im höheren Alter, in denen ein Rezidiv seltener wird, stellt sich die Frage nach der hier am besten geeigneten Therapie. 

Deshalb gibt es in den USA klinische Guidelines, die speziell für Frauen über 70 Jahre entwickelt wurden. Laut den Experten kann bei diesen älteren Betroffenen – vor allem denjenigen mit östrogenrezeptorpositiven Tumoren im Anfangsstadium – auf eine Bestrahlung verzichtet werden. Auch die Sentinel-Lymphknotenbiopsie kann vielen Erkrankten aus der gleichen Gruppe erspart werden. 

Risiko-Nutzen-Abwägung ist besonders wichtig für die betagteren Patientinnen

Der Hintergrund für diese Empfehlungen ist ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Wirkungen und Toxizitäten in dieser Altersgruppe. Je älter ein Mensch wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass er oder sie schwere Nebenwirkungen entwickelt. 

Für behandelnde Mediziner und Forscher stellt sich daher die Frage, ob es möglich ist, dieses Risiko-Nutzen-Verhältnis zu verschieben – und so eine bessere Lebensqualität für Erkrankte zu erreichen. 

Was bedeutet die Therapie-Deeskalation für das Überleben? 

Werden insgesamt weniger verschiedene Therapien angewendet, zum Beispiel durch Wegfall einer Sentinel-Lymphknotenbiopsie oder Bestrahlung, stellt sich Erkrankten und Angehörigen oft die Frage, ob dieses Vorgehen das Überleben beeinflusst und zu einer kürzeren Lebenserwartung führt. 

Doch der Wegfall von Therapien bedeutet nicht eine Reduktion der Effektivität. Vielmehr sei das Ziel, die Patientinnen nicht überzubehandeln, so Dr. Lee. Studien haben nachgewiesen, dass eine Deeskalation von bestimmten Behandlungsmodalitäten mit den gleichen Outcomes einhergeht und mit dem positiven Nebeneffekt verbunden ist, dass es zu einer Reduktion des Risikos für Toxizitäten und andere Nebenwirkungen kommt. Das Ziel ist, eine maßgeschneiderte Lösung anzubieten. 

Für wen kommt eine Deeskalation in Frage?

Für wen die Strategie einer Therapie-Deeskalation in Frage kommt, ist oft nicht einfach zu beantworten. Oft gibt es keinen standardisierten Test für oder gegen eine Behandlungsoption. Eine Möglichkeit stellt zum Beispiel eine geriatrische Untersuchung im Sinne eines Frailty Assessment dar. Insbesondere die Polypharmazie, die in der älteren Bevölkerung oft ubiquitär ist, kann zu schweren Komplikationen führen. Die speziell auf die geriatrische Population angepassten Assessments können helfen, das Risiko richtig einzuschätzen. 

Alter und Standardtherapie: Weitere Anpassungen sind möglich

Es hat sich viel getan auf dem Gebiet der Brustkrebstherapie. Mittlerweile gibt es einige Guidelines zur Behandlung der älteren Frau ab 70 Jahren, in denen die maßgeschneiderte Therapie im Vordergrund steht. Doch es ist voraussehbar, dass sich in den nächsten Jahren noch viel entwickelt. So ist es möglich, dass auch andere therapeutische Maßnahmen aus dem Standardrepertoire entfernt werden können, ohne zu schlechteren Outcomes zu führen. Auch der Alters-Cut-Off von 70 Jahren könnte verschoben werden, zum Beispiel auf 65 oder gar 60 Jahre.
 

Weitere Artikel aus unserer Kongressberichterstattung:

Quelle: