Die globale Unfruchtbarkeit könnte menschengemacht sein

Etwa einer von sechs Menschen ist von Unfruchtbarkeit betroffen. Laut WHO müsse der Zugang zu Fruchtbarkeitsbehandlungen ausgeweitet werden und das Thema mehr in Gesundheitsforschung und -politik vertreten sein.

Alternde Gesellschaft: Unfruchtbarkeit wird zum Verhängnis

Die Prävalenz für Unfruchtbarkeit variiert zwischen den unterschiedlichen Regionen der Welt nur begrenzt. Das bedeutet, dass Infertilität uns auf dem gesamten Globus betreffen kann, denn die Infertilitätsraten in Ländern mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen sind vergleichbar. Infertilität stellt somit ein globales Problem dar. 

Unfruchtbarkeit ist ein zunehmendes Problem für Paare mit Kinderwunsch. Dem statistischen Bundesamt zufolge ist "der demografische Wandel in Deutschland längst angekommen." Die Anzahl an Menschen im jüngeren Alter sinkt immer weiter. Gleichzeitig altert unsere Gesellschaft. Die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands ist über 45 Jahre alt. Jeder Fünfte sogar besitzt ein Lebensalter von über 66.2

Infertilität ist also ein wichtiges Thema, das nicht mehr totgeschwiegen werden darf. Der Generaldirektor der WHO äußerte sich wie folgt zu dieser Thematik:

"Der schiere Anteil der Betroffenen zeigt, dass der Zugang zu Fruchtbarkeitsbehandlungen ausgeweitet werden muss und dass dieses Thema in der Gesundheitsforschung und -politik nicht länger verdrängt werden darf, damit sichere, wirksame und erschwingliche Wege zur Elternschaft für alle, die dies wünschen, zur Verfügung stehen."1

Unfruchtbarkeit betrifft beide Geschlechter

Als Infertilität wird das Ausbleiben einer Schwangerschaft nach 12 Monaten ungeschütztem und routinemäßigem Geschlechtsverkehr bezeichnet. Hierbei betreffen 35 % der Fälle das weibliche Geschlecht, 30 % das männliche Geschlecht und bei 20 % der Fälle sind sowohl Frauen als auch Männer betroffen. Die verbleibenden 15 % sind bisher ungeklärt. Eine weibliche Infertilität kann durch einen gestörten Eisprung, eine verminderte Eierstockreserve, Störungen des Fortpflanzungssystems oder auch durch chronische Krankheiten bedingt sein. Hat eine Frau noch nie ein Kind zur Welt gebracht, so spricht man von einer primären weiblichen Unfruchtbarkeit. Eine sekundäre weibliche Unfruchtbarkeit liegt vor, wenn eine Frau bereits ein Kind zur Welt gebracht hat bzw. eine Fehlgeburt erlitten hat und eine weitere klinische Schwangerschaft nicht erreicht werden kann. Die weibliche Fertilität wird neben der Pathophysiologie der Fortpflanzungsorgane durch weitere Faktoren wie Umwelt und Lebensstil beeinflusst. Die häufigsten reproduktiven Pathologien sind u.a. die Endometriose, gestörte Eierstockfunktionen und Eileiterinfektionen.3

Welche Faktoren können zu Infertilität führen? 

Diverse Aspekte können die Fertilität beeinflussen und im Zweifel zu Unfruchtbarkeit führen. 

Mikrobiom: Auswirkungen auf die Fertilität 

Im Jahr 2021 hat sich die Forschungsgruppe um Skoracka mit dem Einfluss der Ernährung auf die weibliche Fruchtbarkeit auseinandergesetzt (doi: 10.1093/advances/nmab068.). Das Mikrobiom scheint hierbei eine wichtige Rolle zu spielen. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Ernährungsweise, die einen hohen Anteil an Transfetten, raffinierten Kohlenhydraten und zugesetztem Zucker beinhaltet, die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen kann. Ein mediterranes Ernährungsmuster hingegen wirkt sich positiv auf die Fertilität aus. Es ist hierbei wichtig, dass die Ernährung reich an Ballaststoffen, Omega-3-Fettsäuren, pflanzlichem Eiweiß sowie Vitaminen und Mineralstoffen ist. Auch Phytoöstrogene scheinen einen positiven Einfluss auf die weibliche Fruchtbarkeit zu haben. Ein Koffeinkonsum in den empfohlenen Mengen scheint die Fruchtbarkeit nicht zu beeinträchtigen.3

Die Rolle des glykämischen Indexes für die weibliche Fertilität

Es konnte gezeigt werden, dass eine Ernährung mit einem hohen glykämischen Index und reich an tierischem Eiweiß die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen kann. Eine Insulinsensitivität sowie der Glukosestoffwechsel können erhebliche Auswirkungen auf den Eisprung und die weibliche Fruchtbarkeit haben. So kann durch den Verzehr von Lebensmittel mit hohem glykämischen Index die Insulinresistenz, Dyslipidämie und so der oxidative Stress erhöht werden. Dies wiederum kann sich negativ auf die Funktion der Eierstöcke auswirken. Insulin reguliert neben dem Metabolismus auch die reproduktiven Funktionen. Es kann die ovarielle Steroidogenese und die Hyperinsulinämie modulieren. Beide sind mit Hyperandrogenismus und Ovulationsstörungen assoziiert.3

Vitamin D könnte für die Fertilität wichtig sein

Es wird vermutet, dass Vitamin D an der Modulation der weiblichen Fortpflanzungsfunktionen beteiligt ist. Dafür sprechen die Vitamin-D-Rezeptoren im Bereich der Fortpflanzungsorgane wie den Eierstöcken, dem Endometrium, der Plazenta sowie auch der Hypophyse und des Hypothalamus. Vitamin D spielt eine Rolle in der Regulierung des Glukosestoffwechsels und könnte daher ein wesentlicher Bestandteil bei der Entstehung des PCO-Syndroms sein.3

Schadet Mikroplastik der männlichen Fertilität? 

Im letzten Jahrhundert haben die Analyseparameter des männlichen Spermas aus unbekannten Gründen deutlich abgenommen. Es wird vermutet, dass dies auf Schadstoffe in der Ernährung und im Wasser zurückzuführen ist. Ein Zusammenhang zwischen Mikroplastik und der männlichen Unfruchtbarkeit wurde in wissenschaftlichen Studien bereits untersucht. Ein Forschungsteam aus China kam zu dem Ergebnis, dass die minimale menschliche Äquivalentdosis von Mikroplastik, die zu einer abnormalen männlichen Samenqualität führt, bei einem Wert von 0,016 mg/kg/d liegt. Die Exposition gegenüber Mikroplastik liegt in Japan und Südkorea bereits nahe an diesem Wert.4 In Deutschland waren 2019 Daten der WHO zufolge 0,0007 Partikel Mikroplastik pro Liter Leitungswasser detektierbar. Damit schnitt das Leitungswasser deutlich besser ab als das Mineralwasser. Hier waren bereits 300 und 6000 Partikeln pro Liter auffindbar.5

Umweltverschmutzung kostet uns unsere Zukunft

Die steigende Unfruchtbarkeitsrate der letzten Jahre hat nun die Aufmerksamkeit verschiedener Wissenschaftler auf die Umweltbelastung mit Mikroplastik, Weichmacher und endokrin wirksame Chemikalien (EDCs) gelenkt. Eine Studie aus Italien sah die Mikroplastikbelastung ebenfalls kritisch. In ihrer Veröffentlichung "Microplastics: A Threat for Male Fertility" (doi: 10.3390/ijerph18052392) sprachen sie den Einfluss von Mikroplastik auf die männliche Fortpflanzung und die Spermienqualität an. Umweltschadstoffe können als endokrin wirksame Chemikalien (engl.: Endocrine-Disrupting Chemicals / EDCs) die Aktivität körpereigener Steroidhormone nachahmen. Hierdurch können unterschiedliche Mechanismen beeinträchtigt werden. Aktuell bleibt bei rund 40 % der Unfruchtbarkeitsfällen bei Männern, die mit einer gestörten Spermatogenese assoziiert sind, die Ätiologie ungeklärt. Spermatozoen besitzen eine epigenetische Signatur, die auf Umweltfaktoren wie EDCs und auf den väterlichen Lebensstil reagieren kann. Es konnte beobachtet werden, dass bei Personen mit einer Aussetzung gegenüber Umweltschadstoffen in der Vergangenheit eine verminderte Spermienqualität auftreten kann.6

Die Liste über die möglichen Gründe für Infertilität ist lang und hängt wesentlich mit der Art zusammen, wie wir als Menschheit den Planeten und unsere Umwelt behandeln. Da alles miteinander in Verbindung steht, war es nur eine Frage der Zeit, bis wir die von uns in die Umwelt entlassenen Schadstoffe nun schließlich in unserem eigenen Körper nachweisen können. Mikroplastik findet seinen Weg über die Plazenta bereits in den ungeborenen Menschen.7

Referenzen:
  1. https://www.who.int/news/item/04-04-2023-1-in-6-people-globally-affected-by-infertility
  2. https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/_inhalt.html
  3. Skoracka K. et al. (2021). Female Fertility and the Nutritional Approach: The Most Essential Aspects. Adv Nutr. 2021 Dec 1;12(6):2372-2386.
  4. Zhang C. et al. (2022). Microplastics May Be a Significant Cause of Male Infertility. Am J Mens Health. 2022 May-Jun;16(3):15579883221096549.
  5. https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/who-bericht-zu-mikroplastik-im-trinkwasser/#:~:text=Zwei%20Studien%20weisen%20Mikroplastik%20in,0.0007%20Partikel%20pro%20Liter%20gefunden.
  6. D'Angelo S. et al. (2021). Microplastics: A Threat for Male Fertility. Int J Environ Res Public Health. 2021 Mar 1;18(5):2392.
  7. Ragusa A. et al. (2021). Plasticenta: First evidence of microplastics in human placenta. Environ Int. 2021 Jan;146:106274.