Blutdruckmedikamente bei Senioren: Macht der Einnahmezeitpunkt einen Unterschied?

In einer kanadischen randomisiert-kontrollierten Studie wurde untersucht, ob Blutdruckmedikamente im Alter besser abends oder morgens wirken – mit klaren Ergebnissen.

Das Wichtigste auf einen Blick – morgendliche vs. abendliche Blutdrucksenkung bei gebrechlichen Senioren:

Der Blutdruck unterliegt tageszeitlichen Schwankungen, mit typischerweise niedrigeren Werten während der Nacht. Studien zeigen, dass der nächtliche im Vergleich zum Tageswert ein besserer Prädiktor für das kardiovaskuläre Risiko ist. Ein erhöhter Blutdruck während der Schlafenszeit scheint demnach besonders ungünstig zu sein. Daraus ergibt sich die Hypothese: Werden Antihypertensiva abends eingenommen, könnten sie den nächtlichen Blutdruck gezielter senken – und damit das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren.

Die BedMed-Frail-Studie untersuchte daher gezielt, ob sich ein solcher Nutzen auch bei hochbetagten, gebrechlichen Pflegeheimbewohnern nachweisen lässt – einer Patientengruppe, die bei therapeutischen Interventionsstudien oft ausgeschlossen wird.

Studiendesign

Für die multizentrische RCT wurden 776 Senioren (medianes Alter: 88 Jahre) in 17 kanadischen Pflegeheimstationen rekrutiert. 394 Teilnehmer nahmen ihre Blutdruckmedikamente fortan abends ein, 382 gemäß üblicher Praxis (mehrheitlich morgens). Primärer Endpunkt war ein kombinierter Outcome aus Tod, Hospitalisierung oder Notaufnahme wegen , akutem Koronarsyndrom oder Herzinsuffizienz.

Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem Stürze, Frakturen, Hautulzera, kognitive Verschlechterung und Krankenhausaufenthalte aus anderen Gründen. Diese wurden gewählt, weil eine abendliche Blutdrucksenkung bei älteren, gebrechlichen Menschen potenziell Risiken birgt – etwa nächtliche Hypotonie, Schwindel oder gestörte Hirnperfusion. Diese Effekte könnten wiederum das Risiko für Stürze, kognitive Einbußen oder Druckulzera erhöhen – also genau jene Komplikationen, die bei hochvulnerablen Pflegeheimbewohnern besonders relevant sind.

Ergebnisse: Abendliche Blutdruckmedikation ohne Mehrwert oder Schaden

Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 415 Tagen trat bei 320 Teilnehmern ein primäres Ereignis auf, je 160 in der Abend- und der Standardgruppe. Darunter waren insgesamt 293 Todesfälle. Die Inzidenzraten des kombinierten primären Endpunkts (Tod oder schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse) lagen bei 29,4 (Abendgruppe) vs. 31,5 (Standardgruppe) Ereignissen pro 100 Patientenjahre (aHR 0,88; 95 %-KI 0,71–1,11; p = 0,28) und unterschieden sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen.

Auch in ergänzenden Analysen – sowohl unter Berücksichtigung aller eingeschlossenen Teilnehmer (Intention-to-Treat) als auch nur derer, die die Therapie wie geplant fortführten (Per-Protokoll) – zeigte sich kein signifikanter Vorteil der abendlichen Einnahme.

Auch bei den meisten sekundären Endpunkten – etwa kognitiver Abbau, Verhaltensauffälligkeiten oder Dekubitus – unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant. Einzig ungeplante Krankenhausaufenthalte waren in der Abendgruppe initial seltener (aHR 0,74; 95 %-KI 0,57–0,96; p = 0,02). Dieser Unterschied ließ sich jedoch in einer zusätzlichen Analyse aller Krankenhausaufenthalte über die Zeit (Post-hoc-Poisson-Analyse) nicht bestätigen (aRR 0,87; p = 0,20).

Fazit

Bei älteren, gebrechlichen Menschen in Pflegeeinrichtungen zeigte sich kein Vorteil durch die abendliche Einnahme von Antihypertensiva hinsichtlich Tod oder schwerer kardiovaskulärer Ereignisse. Ein möglicher Grund: Für die untersuchte gebrechliche Population ist es denkbar, dass kardiovaskuläre Ereignisse einen geringeren Anteil an der Gesamtmortalität ausmachen und Blutdruckinterventionen daher weniger ins Gewicht fallen.

Auch Sicherheitsbedenken einer späten Einnahme bestätigten sich nicht: Es fanden sich keine Hinweise auf häufig befürchtete Risiken wie sturzbedingte Verletzungen oder Dekubitus unter abendlicher Medikation.

Die Wahl des Einnahmezeitpunkts kann daher flexibel und individuell erfolgen – eine Anpassung an Vorlieben, Routinen oder pflegerische Abläufe ist medizinisch vertretbar.

Quelle:
  1. Garrison SR, Youngson ERE, Perry DA, Campbell FN, Korownyk CS, Green LA, Kolber MR, Kirkwood JEM, Allan GM, Kraut RY, McAlister FA, Hill MD, Bakal JA. Bedtime vs Morning Antihypertensive Medications in Frail Older Adults: The BedMed-Frail Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2025 May 1;8(5):e2513812. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.13812. PMID: 40354050; PMCID: PMC12070236.