Deutscher Herzbericht 2025: Trends, Herausforderungen und Praxisimplikationen
Der neue Herzbericht zeigt einen positiven Trend bei der KHK-Hospitalisation. Doch die absolute Krankheitslast bleibt enorm und die Mortalität im europäischen Vergleich zu hoch. Eine praxisrelevante Analyse.
Deutscher Herzbericht - Update 2025
Der neue Deutsche Herzbericht – Update 2025, herausgegeben von der Deutschen Herzstiftung und den kardiologischen und herzchirurgischen Fachgesellschaften, liefert eine detaillierte Analyse der kardiovaskulären Versorgungslandschaft in Deutschland. Der diesjährige Schwerpunkt liegt auf der koronaren Herzkrankheit (KHK) und dem akuten Myokardinfarkt. Die Daten zeigen erfreuliche Fortschritte, aber auch persistierende Herausforderungen, die für die klinische Praxis von hoher Relevanz sind.
Die zentralen epidemiologischen Eckdaten
Herzerkrankungen bleiben eine der größten Belastungen für das deutsche Gesundheitssystem. Sie waren für 9,3 % aller vollstationären Krankenhausaufnahmen (1,64 Mio. Fälle) und 211.152 Todesfälle verantwortlich.
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Höchste Krankheitslast durch KHK: Mit 538.675 Hospitalisierungen und 119.795 Sterbefällen bleibt die KHK (inkl. akutem Herzinfarkt) die dominierende kardiovaskuläre Entität. Der akute Myokardinfarkt allein führte zu 185.804 Krankenhausaufnahmen und 43.839 Todesfällen.
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Herzinsuffizienz als häufigste Einzeldiagnose: Die Herzinsuffizienz war mit 468.579 Fällen die häufigste Einzeldiagnose für eine vollstationäre Aufnahme und verursachte 37.645 Todesfälle.
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Demografischer Wandel: Der stetige Zuwachs der Bevölkerung über 65 Jahre (+11 % bis +18 % seit 2011) und insbesondere über 80 Jahre (+30 % bis +71 % seit 2011) prägt die Patientenstruktur und stellt wachsende Anforderungen an die Versorgung chronisch kranker und multimorbider Patienten.
Divergente Hospitalisationstrends: Rückgang bei KHK, Anstieg bei Klappenerkrankungen
Ein zentrales Ergebnis des Berichts ist der anhaltende Rückgang der altersstandardisierten Hospitalisationsrate für die KHK. Zwischen 2019 und 2023 sank diese um bemerkenswerte 17,9 % auf 574 Fälle pro 100.000 Einwohner. Dieser Trend, der sich auch nach der COVID-19-Pandemie fortsetzt, kann als Erfolg der präventiven und therapeutischen Bemühungen der letzten Jahre gewertet werden.
Im Gegensatz dazu zeigen andere kardiovaskuläre Erkrankungen eine differenzierte Entwicklung:
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Herzklappenerkrankungen: Die Hospitalisationsrate stieg von 2019 bis 2023 um 2,0 %, die Mortalitätsrate sogar um 7,0 %. Dies unterstreicht die wachsende klinische Bedeutung der strukturellen Herzerkrankungen in einer alternden Bevölkerung.
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Herzrhythmusstörungen: Während die Hospitalisationsrate leicht sank (-3,1 %), stieg die Mortalitätsrate um 3,0 %.
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Herzinsuffizienz: Die Mortalitätsrate stagnierte (-0,1 %), was angesichts verbesserter medikamentöser Therapien eine engmaschige Beobachtung erfordert, ob sich hier eine Trendwende andeutet.
Praxisimplikation: Während die Fortschritte in der KHK-Therapie evident sind, rücken strukturelle Herzerkrankungen und Arrhythmien zunehmend in den Fokus. Die steigende Mortalität bei Klappenerkrankungen erfordert eine noch konsequentere Früherkennung und rechtzeitige Zuweisung zu interventionellen oder chirurgischen Therapien.
Interventionelle und chirurgische Versorgung: Die Nachwirkungen der Pandemie
Die Daten von 2018 bis 2023 zeigen einen deutlichen Rückgang bei vielen Herz-Eingriffen, was maßgeblich auf die Kapazitätsreduktionen während der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist.
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Isolierte koronare Bypass-Operation (ACVB): Rückgang um 23,4 %.
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Device-Therapie: Deutliche Abnahmen bei Aggregatwechseln von Herzschrittmachern (-28,4 %) und ICDs (-32,1 %).
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Ausnahmen: Interventionelle Verfahren wie die TAVI (+23,6 %) und PCI (+1,7 %) zeigten Zuwächse. Methodischer Hinweis: Die PCI-Zahlen für 2023 basieren auf einer neuen Datenquelle (InEK), was die Vergleichbarkeit mit den Vorjahren (IQTIG) einschränkt. Der absolute Wert für 2023 (353.512) liegt jedoch deutlich über den Vorjahren.
Praxisimplikation: Der Rückgang elektiver Eingriffe birgt das Risiko einer Unterversorgung. Kardiologen sollten Patienten, deren Eingriffe verschoben wurden, proaktiv nachverfolgen und die Indikationen neu evaluieren, um eine erhöhte Morbidität und Mortalität durch verzögerte Therapien zu vermeiden.
Klinische Realität: Hohe Komorbiditätslast bei KHK-Patienten
Der Herzbericht verdeutlicht eindrücklich die Multimorbidität von KHK-Patienten. Sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor sind die häufigsten Begleiterkrankungen:
- Arterielle Hypertonie
- Fettstoffwechselstörungen
- Diabetes mellitus Typ 2
- Herzinsuffizienz
- Vorhofflimmern/-flattern
Stationär behandelte KHK-Patienten weisen im Durchschnitt 8,7 Nebendiagnosen auf. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines ganzheitlichen, interdisziplinären Behandlungsansatzes. Ein konsequentes Management dieser Komorbiditäten ist entscheidend, um die KHK-Mortalität weiter zu senken.
Spezifische Herausforderungen und Patientengruppen
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Schwere Herzinsuffizienz und Organspende: Die Diskrepanz zwischen Patienten auf der Warteliste (1.094) und durchgeführten Herztransplantationen (330) bleibt dramatisch. Der Bericht erneuert den dringenden Appell der Fachgesellschaften zur Einführung der Widerspruchslösung in Deutschland, da Deutschland als einziges Eurotransplant-Mitgliedsland ohne diese Regelung von den Spenderorganen seiner Nachbarn profitiert.
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Gender-Aspekte: Frauen sind in der kardiologischen Rehabilitation mit nur 23 % deutlich unterrepräsentiert. Zudem tritt der Mortalitätsgipfel beim Myokardinfarkt bei Frauen etwa 10-15 Jahre später ein als bei Männern, was eine geschlechtsspezifische Risikostratifizierung und Prävention erfordert.
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EMAH-Patienten: Mit zunehmendem Alter steigt auch bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) die Inzidenz der KHK, was diese Patientengruppe zu einer neuen Herausforderung für die interventionelle und präventive Kardiologie macht.
Fazit und Ausblick für die Praxis
Der Deutsche Herzbericht – Update 2025 zeichnet ein komplexes Bild:
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Erfolg durch Prävention und Therapie: Der kontinuierliche Rückgang der KHK-Hospitalisationsraten ist ein klarer Erfolg, der auf ein besseres Management von Risikofaktoren und effektivere Therapien zurückzuführen ist.
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Anhaltend hohe Krankheitslast: Trotz Fortschritten bleiben die absoluten Fall- und Todeszahlen alarmierend hoch, insbesondere im europäischen Vergleich. Die Mortalität in Deutschland ist weiterhin zu hoch.
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Wachsende Bedeutung anderer Entitäten: Strukturelle Herzerkrankungen und Arrhythmien gewinnen relativ an Bedeutung und erfordern verstärkte Aufmerksamkeit.
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Handlungsbedarf in der Prävention: Wie Prof. Dr. Heribert Schunkert betont, liegt das größte Potenzial in der konsequenteren Primär- und Sekundärprävention. Ein aggressives Management von Hypertonie, Dyslipidämie und Diabetes in einem sektorenübergreifenden Ansatz ist der Schlüssel zur weiteren Reduktion der kardiovaskulären Mortalität.
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Strukturelle Defizite: Die Unterversorgung in der Organtransplantation und die Nachwirkungen der Pandemie auf elektive Eingriffe sind kritische strukturelle Probleme, die gelöst werden müssen.