Starker Gewichtsverlust kann periphere Nerven blank liegen lassen

Eine besonders rasche oder ausgeprägte Gewichtsabnahme kann das schützende Fettgewebe um Nerven reduzieren, was zu Nervenirritation und Beschwerden führen kann, etwa einer Fußheberschwäche.

Ein Fallbericht: Wenn der Nerv „genervt“ ist

Eine 54-jährige Frau mit metastasiertem wurde mit einer atraumatischen, vor 2,5 Monaten schleichend einsetzenden Fußheberschwäche links vorstellig. Sie bemerkte zunächst Kribbelparästhesien im linken Fuß und Knöchel, gefolgt von einer subjektiven Schwellung und einem Kältegefühl im Vergleich zur rechten Seite.

Wie bei jedem Patienten mit neu aufgetretenem motorischen oder sensiblen Defizit angezeigt, erfolgte eine sofortige und gründliche körperliche Untersuchung und diagnostische Abklärung, die sowohl häufige Erkrankungen der unteren Motoneuronen (wie Radikulopathie und Mononeuropathie) als auch weniger häufige, aber potenziell zeitkritische Erkrankungen (wie akuter Apoplex oder kompressive/ komprimierende Myelopathie) ausschloss.

Es bestanden keine Anzeichen für eine lokale oder diffuse Metastasierung oder Vaskulitis.
Aufgrund eines signifikanten Gewichtsverlusts im Zusammenhang mit dem Malignom (ca. 16–18 kg in den sechs Monaten vor der elektrodiagnostischen Untersuchung) wurde eine mechanische Kompression des N. peroneus communis am Fibulakopf als wahrscheinlichste Ätiologie diagnostiziert. 

Was bedeutet „Slimmer's Paralysis“?

Dieses Bild kommt bei starker Gewichtsabnahme, natürlich nicht nur im Rahmen von Malignomen, sondern auch in der Allgemeinbevölkerung vor. Im englischsprachigen Raum wird es als „Slimmer's Paralysis“ bezeichnet, da der Verlust des nervalen Fettpolsters die Nervenkompression verursacht.1 Häufig betroffen sind beispielsweise auch Patienten nach bariatrischen Operationen oder intensiven Diäten und extremen körperlichen Belastungen bzw. Training.2
Der Nervus peroneus communis ist besonders anfällig für solche Druckschäden, denn er zieht entlang des Musculus biceps femoris am äußeren, unteren Rand des Knies zum Kopf der Fibula, wo er direkt unter der verläuft und dort auch tastbar ist.3 Er teilt sich weiter peripher in zwei Hauptäste, die für die motorische und sensible Innervation des Unterschenkels und Fußes wichtig sind. 

Neben der räumlichen Bedrängung des Nerven kann eine auch über Nährstoffdefizite und metabolische Störungen zur Entwicklung einer Neuropathie beitragen. Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, eine zu schnelle und starke Gewichtsabnahme zu vermeiden und gleichzeitig auf eine ausgewogene Nährstoffversorgung zu achten.2

In den meisten Fällen ist eine wesentliche Wiederherstellung von Kraft und Sensibilität zu erwarten. Eine adäquate Nährstoffsupplementierung zeichnet sich in Studien als protektiv ab, dies gilt insbesondere bei neoplastischer Grunderkrankung. Für Patienten mit einer schlechten EMG-Prognose oder zunehmenden neurologischen Defiziten kann jedoch eine frühzeitige chirurgische Dekompression angezeigt sein.1

Fazit für die Praxis

Besonders schlanke Menschen mit wenig Fett- oder Muskelmasse sowie Personen mit signifikanter Gewichtsabnahme (15 % oder mehr) können durch den Verlust von schützendem Fettgewebe in der Umgebung von peripheren Nerven eine Nervenkompression entwickeln – ein klassischer Fall ist die Beengung des N. peroneus in Höhe des Fibulaköpfchens. Differentialdiagnostisch ist es wichtig, an einen starken Gewichtsverlust als möglichen ursächlichen Faktor zu denken und zugleich andere Ursachen auszuschließen.4

Quellen:
  1. Collis, R. W. et al. Slimmer’s Palsy Following Weight Loss Associated With Metastatic Breast Cancer: A Case Report. Cureus 16, (2024).
  2. Kim, R. O., Lee, E. J., Ahn, M. young & Roh, H. Polyneuropathy After Rapid and Massive Weight Loss. J Clin Neurol 19, 204–206 (2023).
  3. Nervus peroneus: Anatomie, Verlauf und Klinik. Medi-Karriere https://www.medi-karriere.de/wiki/nervus-peroneus/.
  4. Entrapment-Syndrome: Distale Nervenengpasssyndrome der unteren Extremitäten. neurologisch https://www.medmedia.at/neurologisch-ausg/entrapment-syndrome-distale-nervenengpasssyndrome-der-unteren-extremitaten/.