Umfrage: Wie relevant ist Komplementärmedizin für Ihre Patienten?

PD Dr. Keyver-Paik schildert die Hintergründe der Umfrage Monitor 23, die den aktuellen Stand der Komplementär-, Supportiv- und Alternativmedizin in der Gynäkoonkologie erfassen möchte.

Inverview mit PD Dr. Mignon-Denise Keyver-Paik

Frau Dr. Keyver-Paik, worum geht es bei Monitor 23?

Keyver-Paik: Das ist eine Umfrage unter ärztlichen Kollegen und Kolleginnen, die den Wissensstand und die Praxis bezüglich Komplementär- und Supportivmedizin bei Patientinnen mit gynäkoonkologischen Erkrankungen erfassen will. Es geht darum, wie die verschiedenen Möglichkeiten eingesetzt werden und wie die Patientinnen sie abfragen und annehmen. 

Was ist das Ziel?

Keyver-Paik: Ziel ist, den Wissenstand und den Status quo von Komplementär- und Supportivmedizin abzufragen und zu erheben. Dann zeigt sich, welche Aufklärung noch verstärkt werden muss. In der Ausbildung von Gyn-Onkologen war Komplementärmedizin früher nie ein Thema. Dies ändert sich gerade deutlich. Es gibt seit kurzem eine neue Leitlinie und Kurse, bei denen man eine fundierte Übersicht bekommt und auch Bestrebungen, Methoden der Komplementärmedizin in Studium und Facharztausbildung aufzunehmen. 

Wie ist die Idee dazu entstanden?

Keyver-Paik: Das war noch an der Uni Bonn, wo ich bis 2021 leitende Oberärztin in der Gynäkologie und gynäkologischen Onkologie war. Als wir uns für die ganzheitliche gynäkologische Onkologie bei der NATUM (Arbeitsgemeinschaft für Naturheilkunde, Akupunktur-Umwelt und Komplementärmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) zertifiziert haben, wollten wir den Stand der Dinge auch wissenschaftlich aufarbeiten. Dann haben wir mit der NOGGO e.V. (Nord-Ostdeutsche  Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie) die Studie deutschlandweit aufgesetzt. 

Wie sieht es die Wissenschaft?

Keyver-Paik: Es gibt keine einheitliche klare Begriffsdefinition für die einzelnen Anwendungsmöglichkeiten. Die Grenzen zwischen Alternativmedizin, Supportiv- und Komplementärmedizin sind fließend. Supportivmedizin ist das, wofür wir belegbare Daten haben. Wie zum Beispiel stimulierende Blutfaktoren für die Chemotherapie, Medikamente gegen Übelkeit, Sport, Kreativangebote. Die hilfreiche Wirkung dieser Dinge ist bewiesen und deswegen werden sie auch von den Kassen übernommen. Das wird von den Onkologen gut eingesetzt. Für die Komplementärmedizin gibt es häufig keine harte Datenlage. Sie wird daher meist von den Kassen nicht übernommen. Dazu gehören Akupunktur, Akupressur, Misteltherapie, Naturheilkunde mit Kälte- und Wärmeanwendungen. Es gibt zwar einige gute Daten, aber nicht umfassend genug. Und die Alternativmedizin bedeutet im Grunde eine Alternative zur Schulmedizin. Sie hält oft Patientinnen von einer wichtigen schulmedizinischen Behandlung ab. Und es werden auch Verfahren eingesetzt, die durchaus schaden können. Hier wird Scharlatanerie betrieben, bei der mit der Verzweiflung der Patientinnen Geld verdient wird.

Solche Anbieter erreicht Ihre Umfrage sicher gar nicht.

Keyver-Paik: Nein, aber es ist schon spannend, ob diese Definition allgemein so klar ist und geteilt wird. Eine Stiftung für Komplementärmedizin, die Patientinnen helfen soll, schreibt zum Beispiel auf ihren Aufklärungsflyer: "Für Alternativmedizin". Es gibt eben noch keine feststehende Definition. 

Wie läuft die Studie?

Keyver-Paik: Sie läuft über Survey Monkey. Den Fragenkatalog kann man in zehn Minuten beantworten, sie ging zuerst an die Mitglieder der NOGGO und der NATUM. Der Rücklauf war zunächst eher bescheiden. Deswegen möchten wir den Kreis der angesprochenen Kolleginnen und Kollegen jetzt ausweiten. Wir brauchen mehr Daten zum Umgang mit den Methoden der Supportiv- und Komplementärmedizin, um sie künftig in der Therapielandschaft besser verankern zu können. In der Supportivmedizin agieren Akteure, die große Studien finanzieren können. Aber in der Komplementärmedizin haben wir ein buntes Potpourri an Behandlern und keine finanzstarken Partner für Studien. Daher sind neue Daten hier besonders wichtig.

Wie ist Ihr Interesse an Komplementärmedizin eigentlich entstanden?

Keyver-Paik: In der Onkologie werden komplementäre Methoden von den Patientinnen extrem häufig angefragt. Es ist eine emotionale Gemengelage aus Angst und Hoffnung. Da wird auch nach Möglichkeiten gesucht: Was kann ich tun, um nicht nur "Opfer" der Krankheit und Therapie zu sein, sondern selbstbestimmt zum Therapieerfolg beizutragen? Da ist das Bedürfnis nach Orientierung gewaltig. Das treibt mich an. Und ich denke, dass Ärzt:innen, die gynäkoonkologische Patientinnen betreuen, sich in diesem Gebiet auskennen sollten.

Jetzt sind Sie gefragt: Haben Sie selbst Erfahrungen in der Anwendung von Komplementärmedizin, Supportivtherapie, integrativer Medizin oder anderen Heilmethoden? Die Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie der Universität Bonn, die Charité - Universitätsmedizin Berlin, der NOGGO e.V. und der NATUM e.V. interessieren sich für Ihr Feedback. Jetzt an der Umfrage Monitor 23 teilnehmen.

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