- Schenk, Robert (Gießen). Vortrag: Aufklärung zu Impfungen. Sitzung: Arzneimittelsicherheit bei Impfungen im Kindesalter. Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2025, Leipzig, 27.09.2025.
Ausgangspunkt jeder Impfung ist die wirksame Einwilligung. Sie setzt eine vorherige Aufklärung voraus („informed consent“) und stützt sich auf die gesetzlichen Vorgaben. Inhaltlich wird zwischen zwei Ebenen unterschieden:
Essenziell ist das mündliche Arzt-Patienten-Gespräch – dies gilt sowohl bei minderjährigen als auch erwachsenen Patienten. Schriftliche Unterlagen dürfen dieses Gespräch vorbereiten und begleiten, ersetzen es aber nicht. Ältere Rechtsprechung hatte bei Routineimpfungen schriftliche Unterlagen zur Vorbereitung mit Gelegenheit zu Rückfragen für ausreichend gehalten; dies entspricht nicht mehr den aktuellen Anforderungen. Derzeit (Stand Oktober 2025) wird ausdrücklich gefordert, die wesentlichen Punkte persönlich zu erläutern – auch im Rahmen von Routineimpfungen.
Für die Praxis bedeutet das: Bögen und Merkblätter bleiben nützlich, doch ohne ein echtes Gespräch entsteht keine wirksame Einwilligung (BGH-Urteil vom 05.11.2024). Wesentliche Punkte wie mögliche Nebenwirkungen müssen mündlich erklärt werden; dies betrifft auch Informationen, die in den Aufklärungsbögen schon genannt sind.
Regelfall ist das Gespräch in der ; möglich sind auch Impfzentren und bei Erwachsenen Apotheken (im Rahmen der Grippeschutzimpfung). Entscheidend ist ein geschütztes Gesprächsumfeld und die Möglichkeit für die Patienten, Fragen zu stellen. Ausnahmsweise kommt ein telefonisches Gespräch in Betracht, wenn der Patient damit einverstanden ist und vor der Injektion Gelegenheit zu persönlichen Rückfragen besteht.
Beim Zeitpunkt gilt: Bei Routineimpfungen genügt die Aufklärung am selben Tag vor der Intervention, sofern eine echte Bedenkzeit eingeräumt wird und Fragen unmittelbar geklärt werden können.
Die Risikodarstellung erfolgt „im Großen und Ganzen“ – das heißt: Eltern müssen nicht zu medizinischen Experten gemacht werden; entscheidend ist, die wesentlichen Aspekte der Impfung und die damit verbundenen Risiken verständlich zu erläutern. Dazu gehören zum einen die typischen Reaktionen (ggf. Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Einstichstelle), zum anderen seltene, aber die Lebensführung besonders belastende Risiken (z. B. anaphylaktische Reaktionen).
Handelt es sich um einen Off-Label-Use (etwa Impfstoff bislang nur für Anwendung bei Erwachsenen zugelassen), ist umfassender zu informieren; dazu zählt auch der Hinweis auf potenziell unbekannte Risiken.
Bei Volljährigen ist der Patient selbst Adressat und Einwilligender. Bei Minderjährigen übernehmen grundsätzlich die Sorgeberechtigten diese Rolle. Für Routineeingriffe – dazu zählen Impfungen – darf der Arzt in der Regel darauf vertrauen, dass der erschienene Elternteil den Abwesenden vertritt, solange keine gegenteiligen Hinweise vorliegen.
Darüber hinaus wies der Referent – losgelöst vom konkreten Impfkontext – auf weitere Konstellationen der elterlichen Einwilligung bei Minderjährigen hin: Bei Eingriffen schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken ist zu klären, ob eine Ermächtigung des abwesenden Elternteils vorliegt – zum Beispiel, indem der Arzt die Zustimmung beim anwesenden Sorgeberechtigten ausdrücklich erfragt und dieses Einverständnis in der Patientenakte dokumentiert. Bei schweren Eingriffen mit weitreichenden Folgen (z. B. Herz-OP) ist die ausdrückliche Zustimmung beider Elternteile einzuholen.
Zugleich gilt es, dass auch einsichtsfähige Minderjährige zusätzlich aufzuklären sind; dies betrifft typischerweise das Alter zwischen 14 und 16 Jahren.
Im Praxisalltag kann es bei Impfentscheidungen zu Uneinigkeit zwischen den Sorgeberechtigten kommen. Kommt es zum Streit über die Durchführung einer Impfung, kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil gerichtlich übertragen werden, der die Impfung entsprechend den Empfehlungen der STIKO befürwortet – sofern keine besonderen Impfrisiken entgegenstehen (BGH-Beschluss vom 03.05.2017).
Für die Rechtssicherheit bei der Aufklärungspflicht ist die Dokumentation entscheidend. Der Behandelnde muss im Streitfall nachweisen können, dass ordnungsgemäß aufgeklärt und wirksam eingewilligt wurde. Eine schriftliche Einwilligung ist bei Routineimpfungen nicht zwingend; die Dokumentation des Gesprächs und der Einwilligung in der Patientenakte ist hier darum sinnvoll.
Werden Aufklärungsbögen genutzt, müssen die Eltern eine Abschrift des unterschriebenen Dokuments erhalten. Hier empfiehlt es sich auch, die Aushändigung dieser Kopie in den eigenen Akten zu dokumentieren.