Leitlinie Palliativversorgung bei fortgeschrittenen Lungenerkrankungen

Die ERS-Arbeitsgruppe empfiehlt, Palliativmedizin und Patientenverfügungen frühzeitiger in die routinemäßige COPD- und ILD-Versorgung zu integrieren. Das Ziel: Erkrankte und Angehörige sollen sich wohl und unterstützt fühlen.

Palliativversorgung bei nicht-malignen Erkrankungen oft unzureichend

Menschen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) haben im Vergleich zu Krebskranken deutlich weniger Zugang zur Palliativversorgung und die Mehrheit der COPD-Patienten stirbt ohne eine solche Betreuung.1 Dabei geht aus Studien auch für Menschen mit nicht-malignen Erkrankungen ein deutlicher Mehrwert einer rechtzeitigen palliativmedizinischen Anbindung hervor. Hierzu gehören eine geringere Symptomlast, weniger Besuche in der Notaufnahme und weniger Hospitalisationen. 

Vielleicht ist dies der verbreiteten Fehlwahrnehmung geschuldet, dass Palliativmedizin erst dann beginnt, wenn der Patient "austherapiert" ist, fast schon gleichbedeutend mit Hospizpflege. Doch im besten Sinne sollte die Palliativversorgung nicht anstelle, sondern ergänzend zur Routinetherapie angeboten werden. Der Begriff der supportiven Therapie löst möglicherweise die korrektere Assoziation bei Ärzten und Patienten aus – doch dieser Begriff ist primär durch die Onkologie belegt. Vielleicht gilt es, ein neues Verständnis für den Term Palliativpflege zu entwickeln.

Die Autoren der ersten europäischen Leitlinie zur Palliativmedizin bei schwerer COPD oder ILD definieren sie wie folgt: "Ein ganzheitlicher und multidisziplinärer, patientenzentrierter Ansatz, der darauf abzielt, die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität von Menschen mit schwerwiegenden gesundheitlichen Beschwerden aufgrund von COPD oder ILD zu verbessern sowie ihre Angehörigen zu unterstützen."2,3

Europäische Leitlinie zur Palliativbetreuung bei chronischen Lungenerkrankungen fehlte bislang

Die an Fachpersonal gerichtete Leitlinie hält vor allem dazu an, die Palliativmedizin nicht erst kurz vor dem Tod in die Betreuung einzubeziehen, sondern durchaus zeitgleich zu verlaufsmodifizierenden Therapien, und zwar ab dem Punkt der Erkrankung, an dem die Betroffenen nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben wie gewohnt zu führen und Unterstützung benötigen.

Ein gutes Symptommanagement, eine Verbesserung der Lebensqualität, Unterstützung der Betreuungspersonen und die Versorgung am Wunschort können dazu beitragen, die Zeiten im Krankenhaus zu verringern und den Schwerkranken helfen, sich durch ihre Beschwerden weniger belastet zu fühlen. Wichtige Bestandteile sind die Linderung körperlicher Schmerzen, emotionaler Schwierigkeiten und anderer Belastungen sowie soziale, psychische und spirituelle Unterstützung. 

Auch Vorsorgeplanung und Patientenverfügungen sollten, so die Arbeitsgruppe, bei jedem COPD- oder ILD-Erkrankten frühzeitiger thematisiert werden. Dies soll den Betroffenen Gelegenheit geben, in noch ausreichend guter Verfassung zu besprechen, welche Behandlungen sie in der Zukunft wünschen (oder nicht wünschen), wie sie sterben möchten und wer Entscheidungen treffen darf, wenn sie sich selbst nicht mehr äußern können.

Fazit: Hoher Mehrwert frühzeitiger "comfort care"

Chronisch Lungenkranke leiden oft unter refraktärer Atemnot, unerkannten Angstzuständen und Depressionen sowie einer verminderten Lebensqualität. Trotz der hohen Symptomlast besteht hier ein erheblicher, ungedeckter Bedarf für eine unterstützende Mitbetreuung, welche die Palliativmedizin bereits zeitgleich zu den Standardtherapien leisten kann.1
 

Quelle:
  1. Vermylen, J. H., Szmuilowicz, E. & Kalhan, R. Palliative care in COPD: an unmet area for quality improvement. COPD 10, 1543–1551 (2015).

  2. Janssen, D. J. A. et al. European Respiratory Society clinical practice guideline: palliative care for people with COPD or interstitial lung disease. European Respiratory Journal 62, (2023).

  3. Palliative care. European Lung Foundation.

    letzter Zugriff auf Websites: 15.12.23