Interdisziplinärer Summit 2023: Highlights von WCD und EADV

Im Rahmen des 6. Interdisziplinären Summit vom 24. bis 25. November 2023 in Frankfurt am Main berichtete Dr. med. Dennis Niebel, von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Regensburg, vom World Congress of Dermatology (WCD) und dem Kongress der European Academy of Dermatology and Venerology (EADV).

Vom 24. bis 25. November fand in Frankfurt am Main der 6. Interdisziplinären Summit statt. Dr. med. Dennis Niebel von der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Regensburg berichtete dort über den World Congress of Dermatology (WCD) in Singapur und den Kongress der European Academy of Dermatology and Venerology (EADV) in Berlin. Dabei stand er vor der Herausforderung in seinem dreißigminütigen Vortrag die Highlights zweier großer internationaler Dermatologie-Kongresse komprimiert und spannend zu präsentieren. Bei mehr als 2.000 Abstracts beim WCD und über 2.800 Abstracts beim EADV-Kongress konnte die Auswahl nur höchst subjektiv sein, wie er selbst betonte. Er konzentrierte sich dabei auf Neuigkeiten zu den entzündlichen Dermatosen Psoriasis, Hidradenitis suppurativa (Acne inversa) sowie atopische Dermatitis. Einige dieser Highlights haben wir in diesem Artikel für Sie zusammengefasst. Den ganzen Vortrag im Video und noch vieles mehr zum Interdisziplinären Summit finden Sie auf BiogenLinc.

Psoriasis: “Hot Topic Disease Modification” und Neues zu SB5

Das Konzept der "Disease Modification", also Behandlungsstrategien, die den Krankheitsverlauf langfristig positiv beeinflussen, rückt zunehmend in den Fokus der dermatologischen Forschung und Praxis. In der Hot-Topics-Session beim WCD wurde das Fehlen von Biomarkern, die eine "tiefe Remission" zuverlässig anzeigen könnten, als ein zentrales Problem im Bereich Disease Modification bei der Psoriasis herausgestellt.1 Verlässliche Biomarker könnten auch dazu beitragen, Behandlungsstrategien zu optimieren, und damit nicht nur eine tiefe Remission zu erreichen, sondern auch Komorbiditäten, insbesondere der Psoriasis Arthritis (PsA), zu verhindern, so Dr. Niebel. Um zu verhindern, dass eine PsA sich manifestiert, scheint insbesondere eine frühzeitige Behandlung der Psoriasis, schon vor dem Auftreten einer PsA, entscheidend zu sein.2 Der Einsatz von Biologika erscheint in diesem Kontext vielversprechend, jedoch seien longitudinale Auswertungen notwendig, um die langfristigen Effekte zu beurteilen, so der Dermatologe.

Welchen Weg die Biologika-Therapie in Zukunft nehmen könnte, zeigte Dr. Niebel anhand der Phase-II-Studie KNOCKOUT, die die Wirksamkeit einer hochdosierten Induktion mit Risankizumab bei mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis untersuchte.3 In der Studie erhielten die Patient*innen die zwei-bis vierfache Standarddosis Risankizumab in Woche 0, 4 und 16. Die Behandlung führte bei 15 von 18 teilnehmenden Patient*innen zu einer komplett erscheinungsfreien Haut (Psoriasis Area and Severity Index 100, PASI100). Bei zwei Drittel der Probanden (67 %) hielt dieser Effekt sogar bis Woche 40 an.3

Der Experte hatte jedoch auch neue Daten vom EADV zu SB5 (Imraldi™)4, einem Biosimilar des Tumornekrose (TNF)-Inhibitors Adalimumab, im Gepäck. Die Langzeit-Beobachtung aus dem britischen BADBIR (British Association of Dermatologists Biologic and Immunomodulators Register) bestätigte erneut die Wirksamkeit und das günstige Sicherheitsprofil von SB5 in der Praxis.5 Über vier Jahre hinweg analysierten die Studienautoren die Daten von mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis. Aus wissenschaftlicher Sicht spreche demnach nichts gegen einen Switch hin zu diesem Biosimilar, resümierte der Experte.

Auch ein Vergleich des Drug-Survivals und der Effektivität zwischen SB5 und GB2017 einem weiteren Adalimumab-Biosimilar nach einem „nicht-medizinischen Switch“ vom Originator über ein Jahr ergab keine Unterschiede zum Referenzpräparat und zwischen den Biosimilars.6 Untersuchungen, wie diese mit 525 Psoriasis-Patient*innen aus einer dänischen klinischen Datenbank, seien wichtig, um die Vergleichbarkeit immer wieder zu bestätigen, so Dr. Niebel.

Hidradenitis suppurativa: Zwei Phase-IIa-Studien zeigen neue Ansätze

Auch zum Thema Hidradenitis suppurativa/Acne inversa gab es einige Fortschritte zu berichten. Dr. Niebel stellte eine Phase-IIa-Studie vom WCD vor, die Spesolimab in der Behandlung der Hidradenitis suppurativa untersuchte.7 Spesolimab ist ein Inhibitor des Interleukin-36-Rezeptors (IL36R), welches unter anderem eine Rolle bei pustulösen Erkrankungen spielt. In der Studie zeigte sich nach 12 Wochen bei den 52 teilnehmenden Patient*innen eine im Vergleich zu Placebo verbesserte Wirksamkeit, insbesondere auf die Entstehung drainierender Tunnel (Fisteln). Aufgrund des günstigen Sicherheitsprofil, so der Experte, sei eine Weiterentwicklung des Medikaments für die Hidradenitis suppurativa zu erwarten, nachdem Spesolimab im Bereich Psoriasis aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen wurde.8,9

Eine weitere Phase-IIa-Studie, die beim EADV vorgestellt wurde, untersuchte die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil von Orismilast bei Hidradenitis suppurativa.10 Orismilast ist wie das u. a. zur Behandlung der Psoriasis zugelassene Apremilast ein Phosphodiesterase 4 (PDE4)-Inhibitor.11 In der kleinen, offenen, einarmigen Studie wurden anfangs 20 Patient*innen mit Orismilast behandelt. Den kompletten Behandlungszeitraum von 16 Wochen schlossen jedoch nur 9 Patient*innen ab. Dies spreche, so Dr. Niebel, für eine hohe Belastung durch Nebenwirkungen. Von den Patient*innen, die den Behandlungszeitraum abschlossen, erreichten 67 % einen HISCR50 (Hidradenitis Suppurativa Clinical Response von 50 %) im Vergleich zu 27 % bei Therapieabbrechern.10 Ob es sich hierbei um einen großen Durchbruch handele, gelte es daher abzuwarten, so der Dermatologe.

Atopische Dermatitis: Neues Target OX40/OX40L-Immuncheckpoint

Bei der atopischen Dermatitis rückt nach der bereits bewährten IL-4-, IL-13- und JAK-Inhibition ein neuer Signalweg in den Fokus klinischer Studien: Rocatinlimab ist ein monoklonaler Antikörper gegen den stimulatorischen Immuncheckpoint OX40 auf Effektor-T-Zellen. Rocatinlimab blockiert durch Bindung an OX40 dessen Interaktion mit seinem Liganden OX40L auf Antigen-präsentierenden Zellen und unterdrückt somit die Aktivierung der Effektor-T-Zellen durch Antigen-präsentierende Zellen. In der Phase-IIb-Studie wurde Rocatinlimab zweiwöchentlich oder vierwöchentlich über 36 Wochen appliziert.12 Der SCORAD (Scoring atopic dermatitis) der Patient*innen mit atopischer Dermatitis reduzierte sich nach 16 Wochen unter Rocatinlimab-Therapie um etwa 40–60 % (vs. ca. 20 % bei Placebo). Besonders bemerkenswert, so Dr. Niebel, sei jedoch, dass Therapieansprecher diesen Effekt bis zur Woche 56 beibehalten konnten. Dies spreche für einen längerfristigen Effekt, möglicherweise durch Effektor-Memory-T-Zellen begünstigt, welche ebenfalls durch die OX40/OX40L-Interaktion aktiviert würden. Angesichts der vielversprechenden Ergebnisse starteten nun Phase-III-Studien, die in ein neues Therapiekonzept münden könnten, so die Einschätzung von Dr. Niebel.

Dass die OX40/OX40L-Achse ein aussichtsreiches Target bei atopischer Dermatitis sein könnte, bestätigten auch Ergebnisse einer weiteren Phase-IIb-Studie, die beim EADV vorgestellt wurde: Die Studie STREAM-AD untersuchte die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil von Amlitelimab, einem Inhibitor des OX40-Liganden.13 Die Teilnehmer*innen mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis wurden für 24 Wochen mit Amlitelimab behandelt und anschließend in einer 36-wöchigen Therapiepause weiterbeobachtet. Das Ziel einer solchen Studie sei, so Dr. Niebel, eine Modulation der Erkrankung zu erreichen und diese dauerhaft stabil zu halten. Der primäre Endpunkt war die prozentuale Änderung im Eczema Area and Severity Index (EASI) zu Woche 16. Dieser war für alle 4 Dosierungen signifikant verbessert. Auch bei den sekundären Endpunkten konnte eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo für alle 4 Dosierungen gezeigt werden. Diese verbesserten sich bis Woche 24 bei guter Verträglichkeit weiter. Die Ergebnisse der Erhaltungsphase lagen zum Zeitpunkt der Konferenz noch nicht vor, seien jedoch, so Dr. Niebel, von besonders großem Interesse und mit Spannung erwartet. Noch im Jahr 2024 werde voraussichtlich eine Phase-III-Studie starten.

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Referenz

  1. Eyerich K. Can we cure Psoriasis? Hot Topics Session WCD 2023. 05.07.2023.
  2. Bieber T. Nat Rev Drug Discov. 2023 Aug;22(8):662-680.
  3. Blauvelt A et al. High Induction Dosing of Risankizumab in Patients With Moderate-to-Severe Plaque Psoriasis: Interim Results From the Phase 2 KNOCKOUT Study. WCD 2023. Abstract number: LB01
  4. Fachinformation Imraldi™. Aktueller Stand.
  5. Girolomoni G et al. Long-Term Real-world Data of SB5 (Adalimumab Biosimilar) Treatment in Patients with Moderate-to-Severe Psoriasis from the British Association of Dermatologists Biologic and Immunomodulators Register (BADBIR). EADV-Congress 2023. P2569
  6. Sieborg J et al. Drug survival of patients with psoriasis, who underwent a non-medical mandatory switch from Adalimumab originator to either of the two biosimilar biologics Adalimumab SB5/GP2017 with a year follow-up period using a nationwide cohort study. EADV-Congress 2023. P0802
  7. Alavi A et al. Spesolimab for hidradenitis suppurativa: A proof-of-concept study. WCD 2023. Abstract number: FC12
  8. Deutsche Apotheker Zeitung. Spevigo ist in Deutschland nicht mehr im Handel. Link: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/08/31/spevigo-spesolimab-in-deutschland-nicht-mehr-im-handel. Letzter Zugriff: 03.04.2024
  9. Gemeinsamer Bundesausschuss. Nutzenbewertungsverfahren zum Wirkstoff Spesolimab (Generalisierte pustulöse Psoriasis, Akutbehandlung). Link: https://www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/920/. Letzter Zugriff: 03.04.2024
  10. Borut Jemec G et al. A Phase 2a, Open-Label, Single-Center, Single-Arm, dose finding 16 weeks Clinical Trial of Orismilast for the Treatment of Hidradenitis Suppurativa. EADV-Congress 2023. Presentation ID D2T01.3I, Abstract 6610.
  11. Fachinformation Otezla®. Aktuleller Stand.
  12. Guttman-Yassky E et al. Rocatinlimab improves SCORAD and DLQI in adults with moderate–severe atopic dermatitis and these effects were maintained in the 20-week off-treatment period in a double-blind randomized Phase 2b study. WCD 2023. Abstract number: LB05
  13. Weidinger S et al. Efficacy and safety of amlitelimab (an anti-OX40 ligand antibody) in patients with moderate-to-severe atopic dermatitis: 24-week results from a Phase 2b trial (STREAM-AD). EADV-Congress 2023. Presentation ID D3T01.3G, Abstract 6744.

Biogen-237606 v1.0 03/2024