COVID-19-Angst bei KrebspatientInnen

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. (DGHO) warnt, dass die Angst vor COVID-19 nicht dazu führen darf, dass die Früherkennung oder die Durchführung wirksamer Therapien verzögert wird. Der Schaden für PatientInnen wäre immens.

Diagnose und Therapie verzögert

Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. (DGHO) warnt, dass die Angst vor COVID-19 nicht dazu führen darf, dass die Früherkennung oder die Durchführung wirksamer Therapien verzögert wird. Der Schaden für PatientInnen wäre immens.

Die Angst von PatientInnen vor einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kann zu einer Verzögerung in der Diagnostik und Therapie anderer, lebensgefährlicher Erkrankungen führen. Das betrifft auch Krebserkrankungen. Deutsche Kliniken beobachten, dass PatientInnen erst in sehr fortgeschrittenen Tumorstadien kommen und die Zahl der in Tumorkonferenzen vorgestellten PatientInnen mit frühen Tumorstadien sinkt.

COVID-19 war das beherrschende Gesundheitsthema der vergangenen Wochen. Die Angst vor einer Ansteckung hat auch viele KrebspatientInnen zutiefst beunruhigt. Dabei stellt für die allermeisten PatientInnen die Krebskrankheit eine weitaus größere Gefahr für ihr Leben dar als COVID-19. Bisher liegen noch keine vollständigen Auswertungen zur Anzahl von KrebspatientInnen in Kliniken und Praxen vor. Es ist aber eine Tendenz zu beobachten, dass die Zahl der in frühen Stadien diagnostizierten Tumore wie Darm- oder Brustkrebs zurückgeht. Bei diesen Krankheitsbildern wird die Erstdiagnose häufig im Rahmen der Früherkennung gestellt. Diese Screening-Untersuchungen haben nicht stattgefunden, entsprechend ist mit einer Welle von Neudiagnosen im Sommer und Herbst dieses Jahres zu rechnen. Auch die Zahl der in Tumorkonferenzen vorgestellten PatientInnen ist im April deutlich gesunken, in einzelnen Institutionen um bis zu 30% oder sogar 50%.

Kaum Veränderungen bei PatientInnen mit akut lebensbedrohlichen Krebserkrankungen

Bei PatientInnen mit akut lebensbedrohlichen Krebserkrankungen wie akuten Leukämien haben sich die Zahlen dagegen kaum verändert. Einige PatientInnen sind aber erst in sehr fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert worden. Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Vorsitzender der DGHO und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg: "Wir sehen Leukämie- oder Myelompatientinnen und -patienten mit Komplikationen, die wir in den vergangenen Jahren eher nicht gesehen haben. Wir sehen auch Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren, die in den letzten beiden Monaten nicht zur Frühdiagnostik oder zu Verlaufskontrollen vorstellig wurden. Dabei zeigen die bisher verfügbaren Daten bei onkologischen Patientinnen und Patienten kein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Das liegt möglicherweise an der bereits vorhandenen Achtsamkeit dieser Patientinnen und Patienten, die sie aber auch von Arztbesuchen abhält."

In diesem Zusammenhang machte Prof. Dr. med. Lorenz Trümper, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Göttingen, deutlich, dass sowohl alle diagnostischen als auch therapeutischen Maßnahmen von PatientInnen mit Blut- und Krebserkrankungen wahrgenommen werden sollten. "Natürlich können wir die Angst unserer Patientinnen und Patienten vor einer möglichen Infektion mit SARS-CoV-2 verstehen. Aus diesem Grund möchten wie ihnen versichern, dass in unseren Kliniken und Institutsambulanzen alle notwendigen Vorsichts- und Schutzmaßnahmen getroffen werden und dass wir alles daransetzen, entsprechende Maßnahmen bezüglich des neuen Infektionsgeschehens in die gängigen Abläufe der Krebstherapie zu integrieren. Deswegen haben wir die Onkopedia-Leitlinien für mehr als 60 Krebserkrankungen ergänzt und eigene Kapitel zu COVID-19 und Krebs erstellt."

Auch systemische Tumortherapien werden fortgeführt, sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Praxen und Ambulanzen haben große Anstrengungen unternommen, Therapien regelhaft mit räumlicher Distanz und zeitlicher Entzerrung durchzuführen.

Auch niedergelassene KollegInnen haben sich in ihren Praxen auf das neue Infektionsgeschehen eingestellt

Prof. Dr. med. Wolfgang Knauf, Vorsitzender des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland – BNHO e. V. betonte, dass sich auch die niedergelassenen KollegInnen in ihren Praxen auf das neue Infektionsgeschehen eingestellt haben. "In den Zeiten von COVID-19 halten wir weiterhin alle Diagnostik- und Therapiekonzepte vor. An manchen Stellen haben wir aber unsere Strukturen und Abläufe angepasst. So kann – wenn medizinisch vertretbar – in bestimmten Fällen eine telefonische oder telemedizinische Besprechung anstatt der physischen Einbestellung einer Patientin oder eines Patienten sinnvoll sein. Klar ist: Trotz dieser Anpassung gewährleisten wir selbstverständlich alle notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und können unsere Patientinnen und Patienten zu jeder Zeit entsprechend betreuen und behandeln."

Die DGHO hat in Onkopedia inzwischen die 11. Aktualisierung ihrer Empfehlungen zum Umgang mit COVID-19 bei PatientInnen mit Blut- und Krebserkrankungen publiziert. Sie enthalten Empfehlungen zum Schutz vor Infektionen, zur Identifikation von Risikopersonen für schwere Verläufe von COVID-19, zum Einsatz antiviral wirksamer Arzneimittel und zur Prophylaxe von Komplikationen wie Thrombosen und weiteren Infektionen. Diese Empfehlungen sind für alle offen, nicht nur für ÄrztInnen. PatientInnen mit Blut- und Krebserkrankungen müssen für die nächsten Monate lernen, auch die Angst vor COVID-19 in den Umgang mit ihrer Krebskrankheit zu integrieren.

Die aktualisierten Empfehlungen der DGHO finden sie hier.