Das Auge als privilegiertes Organ - Aspekte der Hornhauttransplantation

Das menschliche Auge verfügt über immunologische Besonderheiten. So beträgt die Transplantatabstoßungsrate gerade mal 10%. Bei nicht vaskularisierten Hornhäuten nur rund 2%.

Das Immunprivileg des Auges

Es befinden sich kaum phagozytierende Antigen-präsentierende Zellen sowie lymphatische Strukturen im Auge. Auch die Expression von MHC-I- und II-Molekülen ist deutlich eingeschränkt. Im zentralen Hornhautepithel fehlen sogar bestimmte Immunzellen (Langerhanszellen) gänzlich. Der Abtransport von Antigenen erfolgt daher über das Trabekelwerk. Hinzu kommen noch die Blut-Kammerwasser- und Blut-Retina-Schranke. Die beiden letzteren sorgen auch dafür, dass die refraktiven Eigenschaften von Kammerwasser und Glaskörperflüssigkeit erhalten bleiben. Kommt es zu einer okulären Immunantwort, so gibt es einige Besonderheiten der afferenten und efferenten Phase.1-3

Limitierte Regenerationsfähigkeit neuronaler Strukturen

Mutter Natur hat dafür gesorgt, dass eine physiologisch reduzierte Antwort des okulären Immunsystems besteht. Das hat auch seine Gründe: Wir wissen, dass neuronale Strukturen (Sehnervenkopf und Retina) kaum regenerationsfähig sind. Eine Immunreaktion im Auge hätte verheerende Folgen. Eine Narbenbildung im Bereich der optischen Achse würde ebenfalls mit einer deutlichen Visuseinschränkung einhergehen.1-3

Das Auge ist nicht allein

Das Auge ist nicht das einzige Organ, welches ein Immunprivileg besitzt. Das Gehirn, die Leber, die Nebennieren, die Ovarien und Testes gesellen sich hier ebenfalls dazu. Organe mit limitierter Regenerationsfähigkeit sind auf ihr Immunprivileg angewiesen. Doch wie genau funktioniert das Immunprivileg auf zellulärer Ebene?1-3

Keine klassische Immunantwort

Drei ausschlaggebende Faktoren prägen das Immunprivileg des Auges: Separation, Unterdrückung und Regulation. Die Separation von den Komponenten des Blutkreislaufs kommt durch die Blut-Augen-Schranken zustande. Normalerweise ist die Hornhaut und die Vorderkammer des Auges avaskulär.1-3

Widerstand zwecklos

Schaffen es aktivierte Lymphozyten, die Barrieren des Auges zu passieren, so greift hier ein immunmodulatorischer Prozess ein. Das Kammerwasser selbst enthält immunmodulatorische Faktoren (TGF-β, α–Melanozyten-stimulierendes Hormon und antikomplimentäre Faktoren) und auch auf den Oberflächen der Zellen bzw. im Gewebe sind bestimmte Liganden (Qa-1, Fas-Ligand und Indolamin-2,3-Dioxygenase) anzutreffen. Diese wirken auf den Neuankömmling immunsuppressiv.4

ACAID (Vorderkammer-assoziierte abweichende Immunantwort) - die etwas andere Immunantwort

Gelangt ein Antigen in die Vorderkammer des Auges, so kommt es zu einer verzögerten antigenspezifischen ­Hypersensitivitätsreaktion. Alles in allem befindet sich ein Antigen im Auge in einer eher immunsuppressiven Umgebung. Da verwundert es auch nicht, dass es nach Antigen-Injektion in die Vorderkammer zu einer systemischen Suppression der zellvermittelten Immunantwort und der Bildung komplement-bindender IgG-Antikörper kommen kann.4

Referenzen:
  1. Stein-Streilein J. et al. (2014). Immune Privilege and the Philosophy of Immunology. Front Immunol. 2014; 5: 110.
  2. Louveau A. et al. (2015).Revisiting the concept of CNS immune privilege. Trends Immunol. 2015 Oct; 36(10): 569–577.
  3. Taylor A.W. et al. (2016). Ocular Immune Privilege and Transplantation. Front Immunol. 2016; 7: 37.
  4. Cone R. E. et al. (2009). Anterior Chamber-Associated Immune Deviation (ACAID): An Acute Response to Ocular Insult Protects from Future Immune-Mediated Damage? Ophthalmol Eye Dis. 2009; 1: 33–40.