Demenz: die Zukunft liegt in den Händen der Frühdiagnostik

Prof. Dr. med. Oliver Peters spricht auf dem BBS 2022 über die Umsetzbarkeit des aktuellen neurobiologischen Kenntnisstandes innerhalb der Gedächtnissprechstunden.

Große regionale Unterschiede in den deutschen "Landkarten der Demenz"

Peters weist auf die große Bedeutung der Demenz in Deutschland hin und führt dem Auditorium die "Landkarten der Demenz" des Berlin-Instituts vor Augen1. Das Berlin-Institut hat in einer Studie untersucht, wie sich u. a. verschiedene Regionen Deutschlands auf die Alterung der Gesellschaft vorbereiten können. Der Anteil der Menschen mit Demenz an der Gesamtbevölkerung liegt aktuell bei rund 1.600 je 100.000 Einwohner. Dem Berlin-Institut zufolge könnte sich diese Zahl in den kommenden dreißig Jahre sogar verdoppeln. Betrachtet man die Deutschlandkarte des Demenz Reports Berlin-Instituts2, so fällt auf, dass die es regionale Unterschiede hinsichtlich der Prävalenz der Demenz gibt.

Die meisten Menschen mit einer Demenzerkrankung leben im Osten Deutschlands. Hier liegt die geschätzte Anzahl der an Demenz erkrankten Personen bei 2.190 je 100.000 Einwohnern. Damit liegt diese Region Deutschlands über dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Peters nennt als Grund hierfür den relativ hohen Altersdurchschnitt der Bevölkerung Ostdeutschlands.

Foto: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung2

Foto: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung2

Foto: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung2

Das kognitive Kontinuum und die Demenz

Die interdisziplinäre Diagnostik beschäftigt sich vor allem mit der Frühdiagnostik der Demenz. "Wer bekommt Demenz?" ist laut Peters die zentrale Frage. Es geht hierbei um zwei Spannungsfelder: Inmitten des gesunden Verstandes und der Demenz ordnet sich die leichte kognitive Störung ("mild cognitive impairment"=MCI) ein. Das kognitive Kontinuum verändert sich im Laufe des Lebens in Abhängigkeit von diesen beiden Spannungsfeldern. Mit zunehmendem Alter steigt für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe das Risiko, an Demenz zu erkranken. Es ist die Aufgabe der Frühdiagnostik die hiervon betroffenen Personen zu identifizieren, um das volle therapeutische Spektrum rechtzeitig ausschöpfen zu können. 

"Je früher wir eine Demenzerkrankung erkennen, desto höher ist das therapeutische Potential." 

- Prof. Dr. med. Oliver Peters

Die Abgrenzung einer leichten kognitiven Störung von der Demenz spielt in der Frühdiagnostik ebenso eine wichtige Rolle. Peters betont, dass sich bei der Alzheimererkrankung präklinische und klinische Phasen unterscheiden lassen.1

Die Säulen der Diagnostik

Peters stellt dem Auditorium die Säulen der Diagnostik vor. Hierzu zählen Biomarker, Psychometrie und bildgebende Verfahren. Zu den etablierten Biomarker gehört der Liquor cerebrospinalis. Die Liquorpunktion liefert uns wichtige Informationen über das Vorliegen einer Amyloidstoffwechselstörung und eine mögliche Tau-Erhöhung, was wiederum einem Hinweis auf entzündliche Prozesse gleichkommt. Peters betont die Notwendigkeit der Verwendung atraumatischer Punktionsnadeln für diese Diagnostik. Zu den Bildgebungsverfahren zählen die MRT-Volumetrie und die Amyloid-PET (PET=Positronen-Emissions-Tomografie). Als wichtige Screeningverfahren stellt Peters den Mini-Mental-Status-Test (MMST) und den Uhrentest vor. Bluttests befinden sich Peters zufolge noch in der Entwicklungsphase.1 

Fazit für die Praxis: 

"Neue krankheitsmodifizierende Therapien scheinen in greifbarer Nähe."

Referenzen:
  1. Peters Oliver, Prof. Dr. med., Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie CBF, Charité, Diagnostik interdisziplinär, Demenzielle Syndrome – allgemeiner Teil, Berlin Brain Summit, CityCube Berlin, 14:00-14:30 Uhr, 31.05.2022.
  2. Grafiken: I. Hoßmann/Jörg Scholz, Berlin-Institut für Bevölkerung: https://idw-online.de/de/news410216.