Wie effektiv ist die AHI-Einteilung der OSA-Schweregrade?
Methodik zur Bestimmung des AHI ist oft unpräzise
Sind Phänotypen von Schlafstörungen besser geeignet als der AHI?
Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) erfasst die Summe der Apnoen und Hypopnoen pro Stunde Schlaf. Er ist ein Hinweis auf die Schwere einer OSA und wird auch bei der Therapiekontrolle verwendet. Doch ist er als entscheidendes Therapiekriterium überhaupt geeignet? Das war Thema eines Symposiums auf dem 60. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) im ICM München.
Menschen mit einer obstruktiven Schlafapnoe (OSA) haben während des Schlafs regelmäßig eine flache Atmung (Hypopnoe) und Atemaussetzer (Apnoe), die länger als zehn Sekunden dauern. Der Sauerstoffmangel führt zu einer kurzen Aufwachreaktion, damit die Atmung wieder einsetzt. Die Aussetzer entstehen, weil die Muskulatur im Rachen erschlafft und in sich zusammenfällt. Schätzungen zufolge leiden 5% der Männer und 3% der Frauen an einer OSA. Die CPAP-Therapie (“continuous positive airway pressure“) gilt als Standardtherapie einer OSA. Dazu wird während des Schlafes eine Maske getragen.
Dass der AHI durchaus das entscheidende Therapiekriterium ist, dafür spricht aus Sicht von PD Dr. Nikolaus Büchner vom Helios Klinikum Duisburg einiges. Büchner stellte klar, dass Indices, die polygraphisch ohne Schlafmessung erhoben werden, nicht den AHI beschreiben.
Die Definition des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ist:
Für die Hypopnoe gibt es unterschiedliche Definitionen:
Dass der AHI deutlich variiert hat eine Studie (Alshaer H et al. Sleep Sci, 2018) an 40 Patienten über 3 Nächte gezeigt. Bei 67,5% der Patienten war die begleitete Polysomnographie (PSG) konsistent (AHI-Abweichung < 10%), bei 32,5% aber variabel (n=13). 4 x wurde eine OSA diagnostiziert, die keine war – und einmal keine OSA, wo eine bestand. Laut Büchner ist das ein weit verbreitetes Problem im klinischen Alltag.
Eine weitere Studie (Labarca G et al. Sleep Med, 2018) hatte 199 PSGs (automatisch und manuell erstellte) ausgewertet und dabei festgestellt, dass die automatische Analyse den AHI unterschätzt: zu einer Fehlklassifikation des Schweregrades kam es bei 47%.
Der AHI, betont Büchner, weist methodische Schwierigkeiten und Schwächen auf:
Eine retrospektive Studie hatte 385 Männer mit OSA untersucht und festgestellt, dass OSA-Patienten mit einem AHI > 20 eine erhöhte Sterblichkeit aufwiesen (He J et al. Chest, 1988). Und auch eine prospektive Kohortenstudie (Punjabi NM et al. Plos Med, 2009), in der 6441 Probanden über 8,2 Jahre mittels Home PSG beobachtet wurden, zeigt, dass Patienten mit schwerer OSA eine höhere Hazard Ratio (HR) für Mortalität aufwiesen (1,46) als Probanden mit milder OSA (0,93).
Eine bevölkerungsbasierte Kohortenstudie (Young T et al. Sleep, 2008), die die OSA Mortalität bei 1522 Probanden nach AHI untersucht hatte, ergab, dass Patienten mit schwerer OSA im Vergleich zu Patienten ohne OSA eine deutlich erhöhte Gesamtmortalität (HR: 3,8) und eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität (HR: 5,2) aufwiesen.
Die Ergebnisse, so Büchner, sind unabhängig von der Tagesmüdigkeit. Auch in einem Schlaflabor-Kollektiv (Gami A, et al. JACC, 2013) mit 10701 Probanden zeigt sich ein Zusammenhang zwischen OSA und plötzlichem Herztod. Die HR bei Patienten mit einem AHI > 20 vs. Patienten mit einem AHI < 20 liegt bei 1,60. In einer Metaanalyse (Kia W et al. Sleep Med, 2018) wurde an 6098 Patienten untersucht, inwieweit ein hoher AHI (vs. niedriger AHI) mit einer Hypertonie assoziiert ist. Die OR für Hypertonie lag bei 1,77. Die Risikozunahme pro AHI 10/h lag bei 17%. Und eine Metaanalyse aus 17 prospektiven Studien (Donjg JY et al. Atherosclerosis, 2013) hat ergeben, dass das relative Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung bei Vorliegen einer OSA um das 2,5-fache erhöht ist. Die Sensitivität dafür lasse sich am besten durch die Nutzung des AHI verbessern.
Entsprechend der S3-Leitlinie “Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ – Kapitel “Schlafbezogene Atmungsstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gelten als Kriterien für Diagnose und Therapie gleich:
Büchner betonte, dass der AHI seit vier Jahrzehnten der Platzhirsch bei der Schweregrad-Beurteilung der OSA in Studien und im klinischen Alltag ist. Die Methodik der Bestimmung des AHI sei allerdings oft unpräzise: Nicht überall, wo AHI draufsteht, sei auch AHI drin. Der AHI zeige aber eine gute und meist "dosis-abhängige“ Korrelation mit verschiedenen Outcome-und Prognose-Parametern. Nur wenn der AHI effektiv gesenkt wird (Therapietreue und AHI < 5/h unter Therapie) ist eine Prognoseverbesserung gut belegt. Kein anderer Parameter ist so gut validiert wie der AHI, insofern sei der AHI das entscheidende Therapiekriterium.
Dass verschiedene Hypopnoe-Definitionen die Prävalenz des Hypopnoe-Index beeinflussen, machte Prof. Dr. Michael Arzt vom Universitätsklinikum Regensburg deutlich.
Eine Arbeit (Punjabi et al. SHHS, Am J Respir Crit Care Med, 2008) hatte untersucht, wie sich verschiedene Hypopnoe-Definitionen auf die Prävalenz von Hypopnoe-Index > 15/h auswirken. Weil die Defintionen variieren, zeigt sich, dass Hypopnoen mit einer Entsättigung von mindestens 4% unabhängig voneinander mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind. Im Gegensatz dazu wurde kein Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Hypopnoen im Zusammenhang mit milderen Entsättigungen oder Erregungen beobachtet.
Ein Kommentar (Penzel T, et al. J Clin Sleep Med, 2015) weist darauf hin, dass alle Definitionen für Atemwegsereignisse und für Schwellenwerte, die eine leichte, mittlere und schwere OSA definieren, willkürlich sind. Definitiv brauche man Schwellenwerte, um Patienten und Kostenträger von Entscheidungen über die Zahlung von Gesundheitskosten zu überzeugen.
Benötigt werden aber noch bessere Korrelate für das klinische Bild der OSA in Verbindung mit Fettleibigkeit, der OSA in Verbindung mit engen oberen Atemwegen, der vererbbaren OSA, der zentralen OSA in Verbindung mit Herzinsuffizienz, einer verlängerten Durchblutungszeit, Schlafphasen, Körperhaltung etc. Der reine AHI-Index ist nicht die Lösung, aber derzeit die beste verfügbare Option, bis es uns gelungen ist, die Phänotypisierung und Charakterisierung der Schwere dieser Phänotypen durchzuführen.
Als direkte Kritikpunkte am AHI nennt Arzt:
Das kardiovaskuläre Risiko von OSA-Patienten ohne ausgeprägte Tagesschläfrigkeit ist in randomisierten Studien nicht reversibel (Metaanalysis PAP CV Events Death, JAMA 2017), so Büchner. Er wies auch darauf hin, dass:
Die OSA ist eine heterogene Erkrankung und ein besseres Verständnis der physiologischen Phänotypen und ihrer klinischen Auswirkungen ist notwendig, so Arzt. In einer Kohortenstudie (Zinchuk et al. Thorac, 2018) mit 1247 US-Veteranen wurde untersucht, ob routinemäßige polysomnographische Daten verwendet werden können, um OSA-Phänotypen (Cluster) zu identifizieren und die Zusammenhänge zwischen den Phänotypen und kardiovaskulären Auswirkungen zu beurteilen. Sieben Cluster konnten identifiziert werden:
Unter den Patienten mit OSA ließen sich Phänotypen herausfiltern, deren Schlafstörungen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse behaftet ist. Mit der herkömmlichen OSA-Klassifizierung nach Schweregraden wären diese nicht erfasst worden, so die Autoren. Entsprechend habe die AHI-Einteilung der OSA-Schweregrade keine prognostische Bedeutung.
Referenzen:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, 13. bis 16. März 2019, Kongresszentrum München ICM.