Dresdner Uniklinikum hat Krebstherapien komplett digitalisiert

Von der ärztlichen Verordnung bis zur Verabreichung - das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden hat als erstes Krankenhaus in Deutschland den Medikationsprozess für onkologische Therapien lückenlos digitalisiert und standardisiert.

Bundesweit Vorreiter

Von der ärztlichen Verordnung von Krebsmedikamenten bis zur Verabreichung an PatientInnen - das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden hat als erstes Krankenhaus in Deutschland den Medikationsprozess für onkologische Therapien lückenlos digitalisiert und standardisiert.

Rund 45.000 Chemotherapie-Zubereitungen stellt die Klinik-Apotheke des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden pro Jahr her – individuell für die PatientInnen. Dabei handelt es sich häufig um farblose Flüssigkeiten, die in Infusionsbeuteln zubereitet werden. Die potentielle Verwechslung der Medikamente ist einer von zahlreichen möglichen Fehlern, die bei der Arzneimittelversorgung im Klinikalltag auftreten können.

Um das Risiko für Medikationsfehler zu minimieren, hat das Uniklinikum für den besonders sensiblen Bereich der Krebstherapien den gesamten Prozess von der Medikamentenverordnung bis zur Verabreichung an PatientInnen lückenlos digitalisiert und standardisiert. "Die umfassende Digitalisierung ist ein extremer Qualitätssprung und erhöht die Sicherheit für unsere Patienten“, sagt Prof. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen Klinik I des Uniklinikums Dresden.

Am Dresdner Uniklinikum ersetzt Software BD CATO TM das Fax

Therapieanforderungen und Laborbefunde, die ehemals teils handschriftlich notiert oder per Fax übermittelt wurden, werden nun einheitlich in einer Software erfasst. ÄrztInnen, ApothekerInnen und Pflegekräfte arbeiten in einem System zusammen. Hierbei wird auf die Software BD CATO TM zurückgegriffen. "Das Besondere ist, wie weitgehend die Software am Uniklinikum Dresden implementiert wurde. Im Sinne eines so genannten Closed Loop Medication Management bildet sie den gesamten onkologischen Medikationsprozess ab", erklärt Prof. Gunnar Folprecht, Leiter des Fachbereichs Onkologie der Medizinischen Klinik I:

Zu den zahlreichen Informationen und Arbeitsschritten, die elektronisch erfasst werden, zählt beispielsweise die Auswahl des für die jeweiligen PatientInnen geeigneten Behandlungsprotokolls durch die behandelnden ÄrztInnen. Über eine Schnittstelle zum Laborprogramm des Klinikums werden Laborwerte der PatientInnen in die Software übermittelt, die hiervon ausgehend die Dosierung der Medikamente berechnet. Werden vordefinierte Grenzwerte bei den Laborwerten – etwa bei Nierenwerten oder der Anzahl der weißen Blutkörperchen – überschritten, löst dies eine Warnmeldung aus.

Nach Freigabe durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt wird die Verordnung durch eine Apothekerin oder einen Apotheker nochmals auf Plausibilität geprüft und anschließend jeder Herstellungsschritt der Krebsmedikamente in der Apotheke innerhalb des Systems dokumentiert. Das fertige Medikament wird mit einem individuellen QR-Code versehen. Erst nach Freigabe durch eine weitere Apothekerin oder einen Apotheker wird das Medikament zur Verabreichung an die onkologische Tagesklinik oder die jeweilige Station ausgeliefert.

Verabreichung der Medikamente wird mehrmals kontrolliert

Auch die Verabreichung der Medikamente wird lückenlos dokumentiert: Über die spezielle App BD Cato ReadyMed können Pflegekräfte auf einem mobilen Endgerät mit zusätzlicher Handscanner-Funktion den Therapieplan der jeweiligen PatientInnen aufrufen. Der Plan zeigt an, in welcher Reihenfolge und zu welchem Zeitpunkt welches Medikament verabreicht werden muss. Soll ein bestimmtes Medikament verabreicht werden, scannt die Pflegekraft den Barcode auf dem entsprechenden Krebsmedikament. Anschließend wird ein patientenspezifischer Barcode gescannt. Dieser wird individuell für jede Patientin oder jeden Patienten generiert und auf dem Patientenarmband aufgedruckt.

Bei stationären PatientInnen sind entsprechende Armbänder schon seit Längerem im Einsatz, in der Tagesklinik werden sie derzeit eingeführt. Das System prüft automatisch, ob Medikament und PatientIn zusammenpassen, ob die Reihenfolge der Verabreichung korrekt ist oder das Verfallsdatum des Medikaments überschritten ist. Nur wenn alles in Ordnung ist, gibt das System grünes Licht für die Verabreichung des Medikaments. Auch für Medikamente, die nicht über die Klinik-Apotheke hergestellt und dort mit einem Barcode versehen wurden, kann jeweils ein individueller Barcode ausgedruckt und gescannt werden.

Digitalisierung innerhalb von drei Jahren

Die umfassende Digitalisierung des gesamten Medikationsprozesses wurde im Zeitraum von rund drei Jahren etabliert. "Dabei haben wir uns als Vertreter aller beteiligten Berufsgruppen wöchentlich eng über die genaue Ausgestaltung der digitalen Erfassung abgestimmt. Dieser enge Austausch hat auch die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegekräften und Apothekern noch einmal deutlich gestärkt", sagt Prof. Folprecht, der die zuständige interdisziplinäre Projektgruppe leitete.

Parallel hierzu wurden alle onkologischen Therapieprotokolle, die sich zuvor teils von Station zu Station unterschieden, vereinheitlicht. Bei den Therapieprotokollen handelt es sich um genau definierte Behandlungskonzepte für spezifische Krankheitsbilder, die z.B. die zu verabreichenden Medikamente, Dosierungen sowie Reihenfolge und Abstände der Verabreichung festlegen. "Mehr als 600 Therapieprotokolle für die klinische Routine und weitere 300 Protokolle für Studien wurden in enger Abstimmung von Ärzten und Stationsapothekern vereinheitlicht. Eine echte Mammutaufgabe", sagt Dr. Holger Knoth, Leiter der Klinik-Apotheke des Uniklinikums Dresden. "Wir sehen uns als Dresdner Hochschulmedizin und als NCT/UCC als Vorreiter für eine sichere Arzneimittelversorgung und sind froh, dass der mehrjährige Implementierungsprozess nun zum Wohl unserer Patienten erfolgreich abgeschlossen ist", betont Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Uniklinikums Dresden.