Dynamisches Scoring-System hilft bei der Entscheidung, MS-Therapien frühzeitig zu wechseln

Ein neu entwickeltes dynamisches Scoring-System kann bei der Entscheidung helfen, ob eine frühzeitige Umstellung von der Erst- auf die Zweitlinientherapie erfolgen soll. Die Autor:innen schätzten, dass mindestens ein Drittel der RRMS-Patient:innen von einer früheren Umstellung profitieren könnte, um Schübe zu verhindern.

Frühzeitiges Erkennung eines suboptimalen Ansprechens könnte irreversibles Fortschreiten der Behinderung verhindern

Ein neu entwickeltes dynamisches Scoring-System kann bei der Entscheidung helfen, ob eine frühzeitige Umstellung von der Erst- auf die Zweitlinientherapie erfolgen soll.1 Die Autor:innen schätzten, dass mindestens ein Drittel der RRMS-Patient:innen von einer früheren Umstellung profitieren könnte, um Schübe zu verhindern.

Die Zahl der verfügbaren krankheitsmodifizierenden Therapien (DMT) für die Behandlung der schubförmig remittierenden MS (RRMS) nimmt weiter zu. Die frühzeitige Erkennung eines suboptimalen Ansprechens könnte ein irreversibles Fortschreiten der Behinderung durch rechtzeitige Umstellung von einer Erstlinienbehandlung auf eine wirksamere Zweitlinien-DMT verhindern. Ein französisches Forschungsteam hat vor diesem Hintergrund ein dynamisches Scoring-System entwickelt, das die frühzeitige Entscheidung über einen Therapiewechsel erleichtern soll. Den Forschenden stand eine französische Kohorte von 12.823 erwachsenen RRMS-Patient:innen zur Verfügung, die zwischen 2008 und 2018 eine Erstlinientherapie begonnen hatten. Patient:innen, die wegen Unwirksamkeit auf eine Zweitlinientherapie umgestellt wurden, wurden mit Patient:innen verglichen, die bei der Erstlinientherapie verblieben, und zwar mit Hilfe einer 1:1 emulierten klinischen Studie (ECT) auf der Grundlage zeitabhängiger Propensity Scores (PS).

Das Hauptergebnis war die Zeit bis zum ersten Rückfall nach dem Matching. Die Kohorte wurde nach dem Zufallsprinzip in eine Lernstichprobe (n=8.549) und eine Validierungsstichprobe (n=4.274) aufgeteilt. Zur Berechnung des PS und zum Matching der Patient:innen wurde bei einer ersten EKT (n=2.028) ein Frailty-Cox-Modell erstellt, mit dem die Zeit bis zum Rückfall bei den Patient:innen, die umgestellt wurden (n=1.014), im Vergleich zu denen, die nicht umgestellt wurden (n=1.014), vorhergesagt werden konnte. Die Validierung des Scoringsystems erfolgte durch zwei zusätzliche EKTs von unabhängigen Patient:innen. In dieser ECT war der Nutzen des Wechsels bei Patient:innen höher, die: 

Patient:innen mit iHR ≤0,69 profitierten signifikant von einer Umstellung

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wurde die individuelle Hazard Ratio (iHR) für einen Rückfall im Falle eines Wechsels gegenüber dem Abwarten mit einem Cut-off-Wert von 0,69 ermittelt. Patient:innen mit einer iHR ≤0,69 profitierten signifikant von einer Umstellung, Patient:innen mit einer iHR >0,69 nicht. Dieses dynamische Scoring-System wurde dann auf eine erste Validierungs-ECT von 348 Patient:innen mit iHR ≤0,69 angewendet. Das fünfjährige rezidivfreie Überleben betrug 0,14 (95 % CI 0,09-0,22) bei den Patient:innen, die bei der Erstlinientherapie verblieben, und 0,40 (0,32-0,51) bei den Patient:innen, die auf eine Zweitlinientherapie umgestellt wurden. In einer zweiten Validierungs-EKT mit 518 Patient:innen mit einer iHR >0,69 betrug das fünfjährige rückfallfreie Überleben 0,37 (0,30-0,46) bzw. 0,44 (0,37-0,52), ein nicht signifikanter Unterschied. 

Quelle:
Sabathé C, et al. Improving the decision to switch from first to second-line therapy in MS: a dynamic scoring system. Abstract 035, ECTRIMS 2021, 13–15 Oct.