Endoprothetik: Neue Technik erlaubt mehr Bewegung

In der Hüftendoprothetik ermöglichen innovative Prothesenmaterialien, vielfältige Implantatmodelle und differenzierte, schonende OP-Techniken mittlerweile einen deutlich aktiveren Lebensstil.

Sport mit Hüftprothese erwünscht

Wieviel Sport ist erlaubt, ohne dass sich die Hüftprothese lockert oder das Gelenk auskugelt? Innovative Prothesenmaterialien, vielfältige Implantatmodelle und differenzierte, schonende OP-Techniken ermöglichen mittlerweile einen deutlich aktiveren Lebensstil. Dies sagt die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e.V. (AE) im Vorfeld ihrer 22. Jahrestagung, die vom 2. bis 4. Dezember 2020 stattfindet.

PatientInnen sollten vor dem Eingriff die gewünschten Sportarten mit ihrem Operateur besprechen, dann kann das bestmögliche Verfahren im Hinblick auf die zukünftigen Belastungen gewählt werden. Regelmäßige, moderate Bewegung hilft bei der Therapie zahlreicher Erkrankungen und Beschwerden. "Deshalb empfehlen wir unseren Patienten mit Ersatzgelenk heute tägliche körperliche Aktivität von mindestens einer Stunde", sagt Universitäts-Professor Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskelettale Chirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Charité Berlin. Dies gelte umso mehr, da 27 Prozent der Erwachsenen während der Corona-Pandemie zugenommen haben1.

Endoprothetik hat sich in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt

Bisher wurde sportliche Betätigung mit vorzeitigem Materialverschleiß und anderen Problemen bei der Prothese in Verbindung gebracht. Verschleißpartikel könnten eine Entzündungsreaktion rund um das Implantat mit Lockerung auslösen und das Kunstgelenk müsste vorzeitig ausgetauscht werden, so die Vermutung. Viele Patienten hätten sich deshalb eher zu wenig bewegt. Doch die Endoprothetik hat sich in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt.

In der Hüftendoprothetik erlaubt die heute bevorzugte Verwendung von modernem hochvernetztem Polyethylen oder neuartigen Mischkeramiken als Pfannenersatz einen deutlich aktiveren Lebenswandel, ohne dass erhöhte Lockerungsraten und Komplikationen befürchtet werden müssen. "Hochvernetztes Polyethylen zeigt ebenso wie die Keramik im Belastungs-Simulator extrem geringe Abriebraten", so Perka. "Von daher können wir davon ausgehen, dass eine angemessene sportliche Betätigung das Risiko für eine abriebinduzierte Lockerung nicht ansteigen lässt."2,3

"Aktivitäten, die zu einer gleichmäßigen, wenn auch intensiven Belastung der Prothese führen, wie langsames Joggen, Fahrradfahren, Ski-Langlauf, – sogenannte "Low-Impact"-Sportarten –, sind deshalb sicher unproblematisch", führt Perka weiter aus. Dies gilt auch für alpines Skifahren. Man sollte es jedoch schon vor der Operation beherrscht haben, so der Orthopäde und Unfallchirurg. "Denn hier ist es wichtig, zu jedem Zeitpunkt die muskuläre Kontrolle über das Hüftgelenk zu behalten. Um sicher zu gehen, empfehlen wir auch, Pisten unter dem Schwierigkeitsniveau vor der Operation auszuwählen."

An Sportart angepasste Gelenkköpfe nutzen

Yoga, Ballett oder Rudern erfordern einen maximalen Bewegungsumfang. "Hier können wir heute einen Operationszugang auswählen, der die besonders belasteten Gewebestrukturen rund um das Gelenk intakt lässt. Weitere Sicherheit gibt uns das Einsetzen eines extra großen Kunstgelenkkopfes." Erst wenige Jahre auf dem Markt sind auch Gelenkpfannen mit einern tripolaren Gelenkpaarung ("double mobility"). Durch diese Kombination führen selbst extreme Gelenkstellungen nicht zu einem Ausrenken der Prothese. "Hier müssen wir noch Langzeitdaten abwarten, ob diese neuen Gelenkpaarungen auch unter intensivster mechanischer Belastung gleich gute Langzeitergebnisse wie Hüftprothesen mit einer normalen Kopf-Inlay-Situationen erzielen", räumt Perka ein.

„Wir müssen unsere Empfehlungen hinsichtlich der sportlichen Betätigung nach Implantation einer Hüftprothese anpassen und moderaten Sport nun nicht nur eindeutig erlauben, sondern empfehlen“, fasst Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, AE-Präsident und Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig zusammen. Nur "Stop-and-Go-Sportarten" wie Ballsportarten, extreme Ausdauerbelastungen und Sportarten mit intensivem Körperkontakt können die Haltbarkeit der Hüftprothese nach wie vor erheblich verkürzen.

Quellen:
1. Virtuelles Expertengespräch zur FORSA-Studie „Veränderung von Lebensstil und Ernährung während der Corona-Pandemie“ mit Professor Hans Hauner am 16.10.20, ab Minute: 12.24: https://www.youtube.com/watch?v=FKFaDVfXN8U
2. In Vorbereitung: J Clin Medicine, Recommendations for Patients with High Return to Sports Expectations after TKA remain controversial, Tu-Lan Vu-Han, Clemens Gwinner, Carsten Perka and Sebastian Hardt
3. In Vorbereitung: AOTS, Recommendations for Return to Sports After Total Hip Arthroplasty are Becoming Less Restrictive as Implants Improve, Tu-Lan Vu-Han, MD PhD et al.