Erst der Penis, dann das Herz

Während in der Allgemeinbevölkerung etwa 20–30% der Männer unter Erektionsstörungen leiden, steigt die Zahl bei Herz-Kreislauf-Patienten auf 50–70% an. Erektionsstörungen sind oft ein erstes Indiz für Arteriosklerose.

Was Erektionsstörungen über kardiovaskuläre Erkrankungen aussagen

Bei einigen Patienten weisen Störungen der Erektionsfähigkeit auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit im Zusammenhang stehende Risiken hin. "Je schwerer diese gefäßbedingten Erektionsstörungen ausfallen, desto höher ist schließlich auch das kardiovaskuläre Risiko eines Patienten", fasste PD Dr. med. Magnus Baumhäkel, Kardiologe und Angiologe aus Saarbrücken sowie Vorstandsmitglied der DGMG, die Beziehung zwischen Penis und Herz vereinfacht zusammen.

Häufig sehen Männer Erektionsprobleme als altersbedingtes Schicksal an, verschweigen das Thema aus falscher Scham sogar ihren behandelnden Ärzten. "Jedoch müssen Männer mit erektiler Dysfunktion eigentlich immer sehr genau untersucht werden. Erektionsstörungen haben vielseitige Ursachen, wie z. B. Stress, nervale Störungen, die mittels einer Biothesiometrie abgeklärt werden müssen, oder auch eine Schwächung der Potenzmuskulatur, die mittels eines EMG aufzuklären ist. Darüber hinaus kommen Gefäßveränderungen vor, auf welche die sehr feinen Blutgefäße im Penis ausgesprochen empfindlich reagieren", so Prof. Dr. med. Frank Sommer, DGMG-Präsident und Urologe aus Hamburg.

Der Penis, die Antenne des Herzens

"Der Penis verhält sich im Grunde wie eine Antenne des Herzens. Eine generalisierte Arteriosklerose wird kleinere, haarfeine Kapillargefäße, wie sie vorwiegend im Penis zu finden sind, sehr viel schneller beeinträchtigen als beispielsweise die im Vergleich deutlich größeren Herzkranzgefäße", ergänzte PD Dr. med. Tobias Jäger, ebenfalls Vorstandsmitglied der DGMG und Urologe aus Essen.

Dieser Zusammenhang zwischen Erektionsvermögen oder –unvermögen des Penis und der Gefäßgesundheit ist durch zahlreiche Studien mittlerweile eindeutig belegt. So treten Erektionsstörungen bei Herzpatienten in der Regel etwa fünf bis sieben Jahre vor einem Herzinfarkt oder Schlaganfall auf und gelten daher insbesondere für diese Risikogruppe als ein früher Indikator kardiovaskulärer Erkrankungen.1, 2 

Erektile Dysfunktion und Makula-Degeneration

Eine weitere Studie3 zeigte zudem, dass zwischen der erektilen Dysfunktion und der altersbedingten Makula-Degeneration (AMD) des Auges ein Zusammenhang besteht, der sich ebenfalls frühdiagnostisch nutzen lässt und somit eine Erblindung verhindern kann.

"Unsere Studie3 belegt, dass eine Makula-Degeneration fast immer in Kombination mit durchblutungsbedingten Erektionsproblemen auftritt, da beide Krankheitsbilder die gleichen Ursachen haben und ihnen die gleichen Risikofaktoren zugrunde liegen, wie z. B. Diabetes, Bluthochdruck, Arteriosklerose oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Erektionsstörungen treten allerdings auch hier in aller Regel zwei bis vier Jahre früher auf, sodass Schäden an der Makula durch eine rechtzeitige Behandlung vermieden werden können", fasste Prof. Sommer die Ergebnisse seiner Arbeit zusammen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Insgesamt – und das zeigen alle Studien gleichermaßen – bietet die Erektionsstörung eine frühzeitige Möglichkeit auch kardiovaskuläre Grunderkrankungen zu diagnostizieren. "In der Vorsorgepraxis des Mannes gibt es kaum einen verlässlicheren Indikator für mögliche Gefäßerkrankungen als den Penis und dessen Erektionsvermögen", so PD Dr. Tibor Szarvas, Laborleiter Urologie in Essen und Vorstandsmitglied der DGMG.

Aus diesem Grund empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V. (DGMG) allen in der Männergesundheit engagierten Ärztinnen und Ärzten sowie ihren Patienten bei auftretenden Erektionsproblemen stets auch Herz und Gefäße diagnostisch abzuklären. Dadurch bietet sich letztlich die großartige Chance einer frühzeitigen Prävention von kardiovaskulären Folgeerkrankungen, wie beispielsweise Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Referenzen:
  1. Baumhäkel M & Böhm M. Int J Clin Pract, March 2007; 61(3): 361–366
  2. Baumhäkel M et al., Medizinische Klinik 2009; 104(4): 309–313
  3. Sommer F., persönliche Mitteilung