Hypothermiebehandlung bei Herzstillstand: Was bringt die Kühlung?

Erhöht die Kühlung von Patienten, die nach einem plötzlichen Herzstillstand komatös in die Notfallstation eingeliefert werden, die Überlebenswahrscheinlichkeit? Antworten liefert eine Studie des internationalen Forschungskonsortium TTM2.

Cardiac-Arrest-Center Bern wirkt maßgeblich an Studie mit

Bewirkt die Kühlung von Patient:innen, die nach einem plötzlichen Herzstillstand komatös in die Notfallstation eingeliefert werden, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit? Antworten liefert eine Studie des internationalen Forschungskonsortium TTM2 zum Temperaturmanagement.

Plötzlicher Herztod ist noch vor Krebs und Hirnschlag die häufigste Todesursache. In der Schweiz rechnet man mit 8.000 bis 10.000 Todesfällen pro Jahr. In der Öffentlichkeit wurde das Thema des plötzlichen Herzstillstandes bei der EM 2021 bekannt, als der dänische Fussballer Christian Eriksen im Stadion ohne Einwirkung eines gegnerischen Spielers zusammenbrach.

Zwar sind Herzerkrankungen als Risikofaktoren eines plötzlichen Herztodes ausführlich untersucht, im Bereich der medizinischen Sofortintervention und der Behandlungsmaßnahmen klaffen aber bis heute Wissenslücken. Das hat u.a. mit dem enormen Zeitdruck zu tun, der bei einem Herzstillstand auf allen Beteiligten lastet und mit der erheblichen Schwierigkeit, gut dokumentierte Datengrundlagen zu erstellen, die sich für hochkarätige Forschungsvorhaben eignen.

Hypothermiebehandlung bringt keinen Vorteil

Internationale Guidelines schrieben ein kühlendes Temperaturmanagement (Hypothermiebehandlung) für Patient:innen vor, die nach einem plötzlichen Herzstillstand bewusstlos in die Notfallstation eingeliefert werden. Eine robuste Evidenzgrundlage fehlte. Die TTM2-Studie konnte zeigen, dass eine gezielte Kühlung auf 33 Grad Celsius keinen Vorteil in Bezug auf die Überlebensraten hat. Dr. Anja Levis, Co-Autorin der Studie, erklärt: "Wie in der Vergleichsgruppe, deren Körpertemperatur im Normalbereich unterhalb der Fiebergrenze gehalten wurde, starben in den ersten 6 Monaten nach dem Ereignis rund die Hälfte der untersuchten Fälle. Jedoch schnitt die Gruppe mit Kühlung in Bezug auf Herzrhythmusstörungen deutlich schlechter ab, als die Normaltemperatur-Gruppe."

Die Europäischen Guidelines wurden 2021 revidiert und führen die Hypothermiebehandlung noch auf. Wie aber ist die Empfehlung entstanden? Kühlung spielt in zahlreichen medizinischen Anwendungen eine Rolle, die eine Stilllegung der Herzaktivität erfordern. Die ursprüngliche Studie aus dem Jahr 2002 verglich zwei kleine Gruppen von Patient:innen, eine mit Hypothermie-Management und eine ohne. Prof. Hänggi erklärt: "Retrospektiv können wir sagen, dass mit der Studie 2002 gezeigt wurde, dass ein besseres Ergebnis bei den Patientinnen und Patienten erzielt wird, die intensiv betreut werden. TTM2 hat nun gezeigt, dass es vor allem ein gutes Setting für Herzstillstand-Patienten braucht, und dieses kann nicht einzig auf die Temperatur beschränkt betrachtet werden."

TTM2-Studie: Evidenz dank solidem Design in internationaler Kooperation

Die TTM2-Studie hat sich zum Ziel gesetzt, evidenzbasierte Grundlagen der Behandlung nach plötzlichem Herzstillstand zu schaffen. Sie schloss 1.850 Patient:innen aus 14 Ländern in 61 Spitälern ein. Die Leitung des Konsortiums lag beim Universitätsspital Lund in Schweden. 68 Patient:inne waren am Inselspital hospitalisiert. Hier lag die Leitung bei Dr. med. Anja Levis (Universitätsklinik für Anästhesie) und bei Prof. Dr. med. Matthias Hänggi (Universitätsklinik für Intensivmedizin). Die Patient:innen wurden zufällig in die Gruppen "Hypothermie" und "Normothermie mit je 925 Fällen eingeteilt. Das primär beurteilte Resultat war "Überleben nach 6 Monaten". Zudem wurden zahlreiche standardisierte Parameter z.B. zu Einschränkungen nach dem Herzstillstand erhoben.

Die TTM2-Studie hat die Bedeutung der Zertifizierung unterstrichen. Dr. med. Manuela Iten betont: "Wenn das gesamte Betreuungssystem stimmt, vom frühen Erkennen des Herzstillstandes, zu frühzeitigen Reanimationsmassnahmen, einer schnellen Defibrillation, dann bei Transport und Einlieferung eine gute Erstversorgung, professionelle Intensivpflegemaßnahmen, korrekte Prognosestellung und schließlich eine gute Rehabilitation, dann überlebt fast die Hälfte der Patienten mit gutem Outcome, und die Temperatur ist nur ein Faktor in diesem ganzen Gebilde."

Die evidenzbasierte Behandlung von plötzlichem Herzstillstand weist einen erheblichen Rückstand gegenüber anderen, vergleichbaren Erkrankungen auf. "Die durchgehende Zertifizierung des CA-Centers Bern war ein erheblicher Aufwand, den andere grosse Zentren noch leisten müssen. Weiter fehlen derzeit noch Strukturen wie zum Beispiel die klar einheitlich geregelten Versorgungsstufen im Bereich Hirnschlag", erklärt Prof. Hänggi. "Dank der sorgfältig dokumentierten Prozesse können aber nun weitere Forschungsarbeiten in Angriff genommen werden um die Evidenz im Bereich der Behandlung des plötzlichen Herzstillstandes weiter zu verbessern."

Quelle:
J. Dankjewicz et al.: Hypothermia versus Normothermia after Out-of-Hospital Cardiac Arrest. N Engl J Med 2021; 384:2283-2294