Non-Compliance ist ein großes Problem in der Medizin, insbesondere bei der langfristigen Behandlung chronischer Erkrankungen. Exakte Zahlen können nur schwer ermittelt werden, doch geht man davon aus, dass – je nach Erkrankung und Therapiemodus – durchschnittlich mindestens 30-50 % der Chroniker ihre Medikamente nicht bzw. nicht so wie verordnet einnehmen.1, 2
Bei den Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) schwankt die Therapietreue laut diverser Erhebungen irgendwo zwischen 14 und 80 %.3,4,5,6 Neben erheblichen Kosten führt das häufig zu schlechtem Outcome, erhöhter Morbidität und eingeschränkter Lebensqualität.7,8,9 Wird das Absetzen der Arzneimittel vom Arzt nicht bemerkt, kann irrtümlich ein Therapieversagen attestiert werden – ggf. mit nachteiligen Konsequenzen wie weitergehenden Untersuchungen, Behandlungseskalation, Einsatz von Reservetherapeutika etc.10
Häufig ist die Abweichung vom Behandlungsschema von den Patienten gar nicht beabsichtigt – wie im Falle von Missverständnissen, Fehlinformation, Vergesslichkeit, Schluckbeschwerden oder Arzneimittelinteraktionen, z.B. durch intermittierende und unerwähnte andere Krankheiten.12
Meist handelt der Betroffene allerdings mehr oder weniger intentional – wenn er beispielsweise überzeugt ist, dass die Maßnahmen sowieso nicht helfen oder ihm sogar primär schaden.12 Die Angst vor Nebenwirkungen kann hier auf tatsächlichen Erfahrungen oder aber reinen Befürchtungen beruhen, die durch das Lesen des Beipackzettels oder den Austausch in Internet-Foren entstehen können. Manchmal besteht ein regelrechter Widerwillen gegenüber der Therapie, der aber aus Scheu oder Scham nicht offen thematisiert wird. Rund 60 % der RA-Patienten ist es unangenehm mit ihrem Rheumatologen über Ängste und Sorgen zu sprechen, wobei 34 % befürchten, mit zu vielen Nachfragen als "schwierig" abgestempelt zu werden und dadurch Nachteile in der Behandlungs-Qualität zu riskieren.11
Eine mangelnde Therapietreue kann dabei viele Gesichter haben: Nicht-Einlösen des Rezepts, Dosisänderungen, Unregelmäßigkeiten bei der Einnahme, Vernachlässigung ergänzender Maßnahmen, Terminabsagen, lückenhafte Rückmeldung bei Problemen, Risikoverhalten oder eigenmächtiges Absetzen der Medikation. Oftmals klinken sich Patienten aus dem Therapieplan aus, ohne jemals Unmut oder den Wunsch nach einer alternativen Methode überhaupt erwähnt zu haben.11
Dabei muss es nicht einmal zum Abbruch der regelmäßigen Praxiskonsultionen kommen. Jedoch kann man davon ausgehen, dass solch bewusstes Verheimlichen eine wirklich konstruktive Arzt-Patienten-Beziehung gefährdet – oder umgekehrt, das Verschweigen erst durch einen wenig vertrauensvollen Kontakt bedingt ist.
Dabei zeigen verschiedene Untersuchungen, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient die Basis für eine Verbesserung der Therapietreue sein kann.13,15,16 Hilfreich dabei ist, wenn eine Begegnung auf Augenhöhe besteht und der Patient nach verständlicher Aufklärung in die Entscheidungsfindung miteinbezogen wird. Unverzichtbar ist hierbei ein sicherer Kenntnisstand des Patienten über seine Erkrankung und das Begreifen der Therapieziele. Wenn der Kontakt von Offenheit und Empathie getragen ist und der Patient sich in seinen Fragen und Zweifeln ernst genommen fühlt, wird er eher auch von sich aus über eventuelles Unbehagen sprechen, welches dann ggf. entkräftet oder anderweitig aufgelöst werden kann.14
Gerade chronisch Kranke sind heutzutage meist nicht mehr bereit, jede Anweisung des Arztes unreflektiert zu befolgen. Sie möchten die Behandlungsweisen nachvollziehen können und selbst von Sinn und Wirksamkeit überzeugt sein. Nur dann tragen sie auch aufwändige, beschwerliche Therapiemaßnahmen mit Disziplin und Überzeugung mit.14
Dieses übrigens umso mehr, je kürzer die bisherige Krankheitsdauer, je geringer die Krankheitsaktivität, je niedriger die Anzahl der Medikamente, je zufriedenstellender die generelle Patientenversorgung, je positiver die bisherigen Erfahrungen und je höher der Kenntnisstand rund um die Erkrankung ist.17,18 Auch die Art der Arzneimittel spielt eine Rolle: So werden bei RA beispielsweise Biologika deutlich seltener abgesetzt als konventionelle Basistherapeutika.10,17
Dieser kooperative und patientenzentrierte Ansatz spiegelt sich auch darin, dass – in Erweiterung der eher passiv-rezeptiven Compliance – heutzutage eher ein hoher Grad an Adhärenz angestrebt wird.19 Dieser zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass dass der Betroffene an den gemeinsam mit dem Arzt besprochenen Behandlungen aktiv und eigenverantwortlich partizipiert.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass beide Parteien den Behandlungserfolg zunächst oft unterschiedlich definieren.11 Während der Arzt im Sinne einer zielgerichteten Strategie in der Regel die mittel- und langfristige Remission anvisiert, steht beim Patient vielleicht eher die Linderung seiner aktuellen Beschwerden im Vordergrund. Hier geht es darum, den Patienten durch den Dialog mitzunehmen und auf ein gemeinsames, nachhaltiges Behandlungsziel einzustimmen.
Fazit: Mangelnde Adhärenz ist ein komplexes und zudem sehr dynamisches Phänomen. Viele interne und externe Faktoren wie Krankheitsaktivität, psychosoziale Aspekte, Arzt-Bindung, Therapiespezifiäten etc. können hierbei eine Rolle spielen. Es scheint ratsam, das Thema bei Verdacht offen anzusprechen und statt ermahnendem Paternalismus lieber auf partnerschaftliche Unterstützung zu setzen.
Um eine stabile Adhärenz zu erreichen, ist es vorteilhaft, wenn der Patient seinen persönlichen Bedürfnissen entsprechend begleitet und geschult wird.
Bei der Vermittlung von Basiswissen können und sollten multimediale Hilfsmittel wie Broschüren, Audio-Podcasts, Videos sowie interaktive PC-Programme mit anderen Betroffenen und/ oder Experten genutzt werden.20,21 Oft werden die Inhalte hier eingängiger präsentiert und umfassen über die fachliche Wissensvermittlung hinaus auch Fähigkeiten wie Problemlösungsstrategien und Umgang mit der Krankheit.20,21 Die dadurch freiwerdenden zeitlichen Ressourcen können dann für weitergehende Nachfragen und das Eingehen auf individuelle Präferenzen und Probleme genutzt werden.
Viele der in der Vergangenheit entwickelten Interventionsprogramme zeigten leider nur bescheidenen Erfolg, sofern sie überhaupt systematisch evaluiert wurden.18,22 Bleibt zu hoffen, dass mit dem Vormarsch der digitalen Medien innovative e-Technologien das gesamte Krankheits-Management künftig vereinfachen und den behandelnden Rheumatologen letztlich entlastet.23
Bis es soweit ist, kann das Therapiebündnis aber jederzeit auf konventionelle Weise gepflegt und gefestigt werden – von Seiten des Arztes vor allem durch klare Kommunikation, strukturierte Patienteninformation und eine wertschätzende Einstellung, die auch und gerade den kritischen Patienten als Mitstreiter und Verbündeten auf dem Weg zum Therapieziel sieht.
Referenzen: