Versorgung und Forschung suchen befruchtende Symbiose

Mithilfe der "Dekade gegen den Krebs" sollen relevante Informationen aus der Praxis für die Forschung gewonnen und schnell umgesetzt werden. Niedergelassene Hämatologen und Onkologen sind stark beteiligt, wie Symposien beim DKK zeigen.

Intersektorale Kooperation für personalisierte Lungenkrebstherapie

Ein Beispiel für die intersektorale Kooperation in Forschung und Versorgung ist das Projekt DigiNet zur Messung des Outcomes von personalisierter Lungenkrebstherapie. Hierbei werden systematisch und interoperabel kontinuierlich alle relevanten Daten der "Patienten Journey" mittels digitaler Vernetzung aller Behandlungspartner ausgetauscht und so für Diagnostik und Therapie nutzbar gemacht, wie Privatdozent Dr. Thomas Illner, stellvertretender Vorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (BNHO), berichtete. In dem Verband sind rund 600 onkologische Fachärzte organisiert.

Gestartet worden sei schon mit dem Nationalen Krebsplan 2008, einen Sprung nach vorn habe das Projekt DigiNet dann mit der Nationalen Dekade gegen den Krebs ab 2017/18 gemacht: Inzwischen sind Pilotregionen definiert, teilnehmende Praxen sind an zertifizierte Zentren angebunden, sie nehmen am Netzwerk Genomische Medizin teil und stehen im Austausch mit molekularen Tumorboards. Das Ziel der der Aufbau eines Kreislaufs von Wissensgenerierung zwischen ambulanter und stationärer Medizin und Forschung durch systematischen Datenaustausch. Das bedeute für die niedergelassenen Ärzte ein hohes Maß an Erreichbarkeit, Investment in Zeit und Technik. 

Inzwischen sind über 700 Partner an dem Projekt beteiligt, darunter 299 niedergelassene Hämatologen und Onkologen sowie 202 Zentren, die am Netzwerk Genomische Medizin teilnehmen.

OncoBoxResearch macht Verbesserungspotential transparent

Ein weiteres Projekt der Wissen generierenden Versorgung ist die von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) entwickelte OncoBoxResearch. Aufbauend auf der vorhandenen Struktur von Daten aus Krebsregistern und Tumordokumentationen (die etwa zur Zertifizierung genutzt werden) der vorhandenen Evidenz von insgesamt 34 S3-Leitlinien und daraus abgeleiteten mehr als 150 Qualitätsindikatoren können, so Dr. Nora Tabea Sibert von der DKG Veränderungen in der Versorgungsqualität ermittelt werden. Möglich wird dabei auch ein Qualitätsvergleich der Zentren untereinander, das Feedback ermöglich einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Einsetzbar ist die OncoBox inzwischen für vier Krebs-Entitäten. Zwischen 2017 und 2021 konnte die Behandlungsqualität im Median um 11 Prozentpunkte verbessert werden. 

OncoBoxResearch ermögliche somit eine Überprüfung des Versorgungsalltags und seine Durchdringung von Leitlinien-Empfehlungen, unterstütze bei der Evidenzgenerierung bei unklarer Leitlinienlage, ermögliche aber auch Befragungsstudien und die Berücksichtigung von Patient Reported Outcomes.

Krebs und familiäre Ursachen: Neue Strategien zur Früherkennung

Erhebliche Bedeutung für die Versorgung, insbesondere aber für die Stratifizierung von Krebs-Früherkennungs-Programmen haben die Studien von Professor Rita Schmutzler, Direktorin des Nationalen Centrums Familiäre Tumorerkrankungen an der Uniklinik Köln. Sie koordiniert das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs (DK-FBREK). Gerade besonders häufige Krebsarten werden von familiären Ursachen beeinflusst: 42 Prozent bei Prostatakrebs, 35 Prozent bei Darmkrebs sowie 27 Prozent bei Brustkrebs.  

Im Rahmen eines Vertrags zur besonderen Versorgung nach Paragraf 140a SGB V haben derzeit rund drei Viertel der GKV-Versicherten und auch Privatpatienten Zugang zu dem seit 2019 über fünf Jahre vom BMBF geförderten Projekt HerediCaRe. Inzwischen sind rund 145.000 Studienteilnehmer rekrutiert, deren Daten in ein Register zur Versorgungsforschung einfließen. Bei 25 Prozent von ihnen konnten Genmutationsnachweise erbracht werden. Im Rahmen des Projekts seien überdies, so Schmutzler, neue Gene entdeckt und validiert werden, die die Entstehung oder Entwicklung von Brust- oder Ovarialkrebs beeinflussen. Die Registerdaten ermöglichen auch, Risikogruppen zu identifizieren und somit Früherkennungsprogramme so zu stratifizieren, dass sie für die untersuchten Patientinnen tatsächlich von Relevanz sind. Das macht Früherkennung effektiver und zugleich effizienter – und eröffnet auf Basis von Langzeitdaten die Chance auf ein längeres Überleben. 

Einen bedeutenden Schritt nach vorn sieht Schmutzler in dem kurz vor dem Start stehenden Projekt genomDE, das von Gesetzes wegen alle Kassen dazu verpflichtet, die Ganzgenom-Sequenzierung zu finanzieren. Das Modell, an dem sich auch die private Krankenversicherung beteiligt, startet im April, die Verträge stehen kurz vor dem Abschluss, die ersten Patienten sollen ab Juli eingeschlossen werden. Das, so Schmutzler, biete das Potential, die noch ungeklärte Heritabilität aufzudecken.

Quelle:

36. DKK-Kongress 2024