Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Infektionskrankheiten?

Steigende Temperaturen führen zu einer Inzidenzänderung von Infektionskrankheiten. So breiten sich beispielsweise Vektoren zunehmend nach Norden aus. Wie ein Rückgang dieser Entwicklungen möglich ist, erklärt Prof. Silke Hofmann.

Steigende Temperaturen sorgen für Inzidenzänderung von Infektionskrankheiten

In ihrem Vortrag auf der DDG-Tagung referierte Prof. Silke Hofmann zum Thema "Gibt es einen Inzidenzwandel in der Dermatologie durch den Klimawandel?". Im Rahmen hierzu sprachen wir mit der Fachärztin für Dermatologie, Allergologie, Berufsdermatologie und Medikamentöse Tumortherapie. 

Die Verbreitung von durch Vektoren (Zecken, Mücken) übertragenen Infektionserkrankungen nimmt weltweit durch steigende Temperaturen und Unwetterereignisse zu und die Vektoren breiten sich zunehmend nach Norden aus. In Deutschland ist besonders ein Anstieg von durch Zecken übertragenen Erkrankungen (v.a. FSME und Borreliose) bereits zu beobachten, weil Zeckennymphen in warmen Wintern problemlos überleben können, so Hofmann. Nicht nur in Süddeutschland, sondern mittlerweile auch in NRW und Brandenburg gibt es FSME-Risikogebiete. Eine aktuelle Arbeit aus Norwegen zeigt, dass dort die jährliche Inzidenz der Borreliose in den letzten 15 Jahren deutlich angestiegen ist.

Leishmanien-Infektionen, die durch Sandfliegen übertragen werden, kommen aktuell in Deutschland als "Urlaubs-Mitbringsel" vor. Die Habitate der Erreger, insbesondere Hunde, haben sich jedoch bereits bis Nordfrankreich und Süddeutschland ausgebreitet, sodass bei weiterem Temperaturanstieg auch Infektionen in Zentraleuropa zu erwarten sind. 

In Südamerika, Afrika und Südostasien wurde in den letzten Jahren ein starker Anstieg der durch Mücken übertragenen viralen Infektionserkrankungen Dengue-Fieber, Zika und Chikungunya festgestellt. Auch wenn sich die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) in den letzten Jahren in Deutschland ausgebreitet hat, wurden bisher keine autochthonen Infektionen beobachtet. Dagegen kann das durch Flaviviren ausgelöste West-Nil-Fieber von den bei uns üblichen Mücken (Culex pipiens) übertragen werden und ist somit bei unklaren Enzephalitiden oder einer regionalen Häufung unklarer febriler Erkrankungen mit grippaler Symptomatik in den warmen Monaten Juli bis Oktober als mögliche Ursache zu bedenken. Als Endemiegebiete für das West-Nil-Fieber gelten aktuell Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, hält Hofmann fest. 

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen sind global gesehen besorgniserregend. Die Inzidenzänderung von Infektionserkrankungen variiert regionsspezifisch und ein genaues Monitoring der Infektionslage ist wichtig. Laut Hofmann können wir hierzulande dank der hohen Qualität der medizinischen Versorgung und der guten hygienischen Bedingungen den Veränderungen besser begegnen als viele andere Regionen. 

Prävalenz photoallergischer Kontaktekzeme steigt

Aufgrund vermehrter UV-Exposition im Rahmen des Klimawandels kommen photoallergische Kontaktekzeme häufiger vor. Hofmann rät, bei klinischem Verdacht auf ein photoallergisches Kontaktekzem durch einen Photopatchtest zu versuchen, das auslösende Allergen zu identifizieren. Betroffene Patienten müssen die individuell relevanten allergenen Auslöser (z.B. topisch eingesetzte Duftstoffe oder Lichtschutzfilter in Kosmetika, aber auch bestimmte systemisch angewandte Medikamente wie z.B. Tetrazykline), im zeitlichen Kontext mit UV-Exposition meiden. 

Zum Schutz vor UV-Schäden sind Textilien und Sonnencremes mit mind. Lichtschutzfaktor 50 (Produkte für empfindliche Haut ohne photoallergisch wirksame Substanzen) geeignet. Natürlich sind auch die allgemeinen Regeln zum Umgang mit Sonne zu beachten (Mittagssonne meiden, Schatten aufsuchen, etc.), so Hofmann.

Ist ein Rückgang der aktuellen Entwicklungen möglich? 

Ein Rückgang der klimatischen Veränderungen ist möglich, wenn auf globaler Ebene Klimaschutzmaßnahmen zeitnah umgesetzt werden. Internationale Abkommen sind daher von hoher Relevanz, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen, betont Hofmann. Erforderlich sind eine Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die Nutzung klimaneutraler Technologien, eine nachhaltige Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion, der Schutz von Ökosystemen und der Erhalt der Artenvielfalt.

Medizinische Forschungsinnovationen zur Eindämmung des Inzidenzwandels

Zurzeit werden antivirale Medikamente gegen Vektorübertragene Viruserkrankungen erforscht. Auch ein Impfstoff gegen Chikungunya wird voraussichtlich zeitnah zugelassen, während es gegen das von Flaviviren übertragene Dengue-Fieber bereits zugelassene Impfstoffe gibt. Auch Insektizide, Sterilisationstechniken oder Wirkstoffe, die die Übertragungsfähigkeit negativ beeinflussen, können die Verbreitung von Vektoren bzw. die Infektionsausbreitung eindämmen, so Hofmann.

Medikamente gegen Parasiten wie z. B. Ivermectin, welches wir u.a. zur Behandlung der Skabies regelmäßig einsetzen, könnten zukünftig in südlicheren Regionen zur Malariakontrolle genutzt werden. Hier laufen aktuell Studien zum besseren Verständnis der Wirkung, aber auch zur möglichen Gefahr der Entwicklung von Ivermectin-resistenten Mosquitos, hält Hofmann abschließend fest.

Kurzbiografie Prof. Dr. med. Silke Hofmann 

Prof. Dr. med. Silke Hofmann ist Chefärztin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal und Beauftragte für die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Zudem ist sie Inhaberin des Lehrstuhls für Dermatologie der Universität Witten-Herdecke. 

Mehr Highlights von der 52. DDG-Tagung finden Sie in unserer Kongressberichterstattung.