Updates aus der Endoprothetik: Alles rund um Knie- und Hüftgelenk

Die Volkskrankheit Arthrose schränkt vor allem Knie- und Hüftgelenk ein, oft ist eine Gelenkprothese unumgänglich. Doch welche Art der Verankerung ist die Richtige und kann man zu jung für ein Implantat sein?

Knie- und Hüftarthrose: Wie kann man Operationen vermeiden bzw. hinauszögern? 

Jeder fünfte Deutsche über 60 hat Arthrose von Hüft- oder Kniegelenk. Gibt es neben medikamentösen Ansätzen und Physiotherapie Möglichkeiten, diese Zahl zu reduzieren? Getreu dem Motto "Gelenke werden nur durch Bewegung ernährt", stellt Bewegung auch bei Arthrose die erste wichtige Maßnahme dar. Denn: Vor allem am Kniegelenk beschleunigt ein hohes Körpergewicht den Gelenkverschleiß und wirkt sich negativ aus. 

Trotz der hohen Arthrose-Prävalenz innerhalb der Bevölkerung muss eine solche Erkrankung nicht zwingend mit einem Kunstgelenk enden. Denn der Arthroseverlauf ist sehr individuell und kann im Verlauf verlangsamt werden. Es gilt im Idealfall, diverse Risikofaktoren einzudämmen: dazu zählen gelenkbelastende Sportarten, berufliche sowie individuelle Lebensgewohnheiten oder Adipositas. 

Es ist also als behandelnder Arzt oder Ärztin essentiell, Betroffene ausführlich zu beraten und die Motivation zur körperlichen Aktivität bestmöglich zu steigern. Zwischenzeitlich wird vermehrter körperlicher Aktivität sogar Vorrang gegenüber medikamentöser Therapie gegeben. So können akute Beschwerden kontrolliert werden. 

Um eine dauerhafte Besserung sicherzustellen, sind eine gut trainierte Muskulatur und eine freie Gelenkbeweglichkeit vonnöten. Allerdings weisen bereits jetzt zahlreiche junge Erwachsene Defizite in ihrer alltäglichen körperlichen Aktivität auf. Durch die Digitalisierung kommt es zu langem Sitzen mit geringem Energieverbrauch und fördert damit erhöhtes Körpergewicht, was sich wiederum auf die Gelenkbelastung auswirkt. National gilt daher die Empfehlung, Kraft- und Geschicklichkeitstraining als Teil einer normalen körperlichen Aktivität zu integrieren, denn so kann Arthrose vorgebeugt und, sollte sie bereits ausgebrochen sein, ihre Beschwerden gelindert werden. 

Künstliche Gelenke im jungen Alter 

Befinden sich Patienten mit verschlissenen Gelenken noch im jungen Alter, stellt sich die Frage, ob bereits jetzt ein Gelenkersatz notwendig ist. Da Kunstgelenke durch ihre Endlichkeit gekennzeichnet sind, kann es vorkommen, dass das Erstimplantat nach einigen Jahren ersetzt werden muss. Auf der anderen Seite kann die Arthrose bereits so weit fortgeschritten sein, dass eine hinreichende Lebensqualität durch konservative Physiotherapie und Medikamentengabe nicht mehr erreicht werden kann. Wann lohnt es sich also, das Risiko für eine spätere Wechseloperation einzugehen? Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, denn die Lebensqualität fungiert als entscheidendes Kriterium. Mit jedem Betroffenen muss individuell abgeklärt werden, unter welchen Erwartungshaltungen der Eingriff stattfindet und mit welchen Ergebnissen gerechnet werden kann. Außerdem sollte den Patienten bewusst gemacht werden, dass eine Wechseloperation in der Zukunft möglich sein kann, die womöglich nicht das gleiche funktionelle Ergebnis bietet wie die Erstoperation. Es gilt also, die Entscheidung gemeinsam mit dem Patienten, in Abhängigkeit von seiner Prädisposition und Krankheitsentwicklung, zu fällen. So kann dann eine gemeinschaftliche Wahl der Operationstechnik, des Implantattyps und der passenden Rehabilitation erfolgen. 

Insbesondere bei jüngeren Patientinnen und Patienten liegt zusätzlich zur Arthrose häufig eine Knochenfehlstellung vor. Daher bietet sich eine Versorgung in einem Zentrum an, um optimale Ergebnisse zu erreichen. Hier erfordert es auch Ehrlichkeit als behandelnder Arzt oder Ärztin: Habe ich genügend Erfahrung mit dieser Pathologie bzw. Fehlstellung? Kann ich als Hausarzt oder Orthopädin die richtige Diagnose stellen, wenn der Sachverhalt komplex ist und viele Faktoren die Entscheidung pro oder contra Operation beeinflussen? Oder ist mein Patient doch besser in einem spezialisierten Zentrum aufgehoben? 

Klassische Zementierung oder doch lieber Press-Fit-Verankerung? 

"Welche Verankerungsart wir für den Gelenkersatz wählen, ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig", so Privatdozentin Dr. med. Anne Poler, Oberärztin der Sektion Knie am UniversitätsCentrum für Orthopädie, Unfall- & Plastische Chirurgie, Dresden. Alter sowie Geschlecht als auch Qualität des Knochens von Hüfte und Oberschenkel und das Körpergewicht stellen ausschlaggebende Parameter für die Wahl der Verankerungsart dar. 

Status Quo in Deutschland: 

Während bei der Press-Fit-Verankerung das Implantat im Knochen verklemmt wird, erfolgt die Befestigung im Knochenlager bei der Zementierung durch eine selbstaushärtende Kunststoffverbindung. Bei beiden Verankerungsarten ist das Ziel, dass die Operierten das Gelenk gleich nach dem Eingriff belasten können. Gemeinsam mit Betroffenen wird im Vorfeld – abhängig von persönlichen Faktoren und erhobenen Daten zur Prothesen-Haltbarkeit – entschieden, welche Art der Verankerung eine bessere Lebensqualität verspricht. 

Wann ist man zu alt für künstliche Knie- und Hüftgelenke?

Im Rahmen der operativen Prothetik stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es ein Höchstalter gibt, ab dem Prothesen nicht mehr eingesetzt werden sollten. Mit Deutschland als zweitältestem Land weltweit steigt die Zahl der Seniorinnen und Senioren mit schmerzender Arthrose in Hüft- und Kniegelenken. Im Zuge dessen muss häufig das "richtige" Alter für ein Kunstgelenk abwägen. Bis zu welchem Alter kompensieren die Vorteile das Risiko eines solchen operativen Eingriffs? 

Mit zunehmenden Beschwerden durch die Arthrose bleibt es Betroffenen häufig verwehrt, die effektivste Therapie und Prävention durchzuführen: Bewegung. Wenn Physiotherapie und Schmerzmittel keinen effektiven Nutzen mehr erzielen, kann ein Ersatzgelenk Abhilfe schaffen, jedoch dürfen die Nebenwirkungen einer solchen Operation nicht unterschätzt werden. Denn: 

"Eine größere Operation kann bei labilen körperlichem Gleichgewicht einen erheblichen Einschnitt bedeuten, von dem sich Betroffene mitunter nur langsam erholen."

- Professor Dr. med. Carsten Perka, Generalsekretär der AE und Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Deswegen ist es unerlässlich, dass eine gründliche Risiko-Abwägung gemeinsam mit dem Patienten stattfindet. Allerdings bedeutet ein hohes Alter auf Papier nicht automatisch, dass ein künstliches Gelenk keine Option darstellt. Vielmehr sind körperliche sowie geistige Verfassung ausschlaggebend, wenn es um eine Operationsentscheidung geht. Mittels bestimmter altersspezifischer Chirurgie-Konzepten, wie beispielsweise kontrollierter Flüssigkeitsgabe, können Betroffene geschont werden. Außerdem gilt auch hier der Leitsatz: Better in - better out. Je besser sich Patientinnen und Patienten auf die OP vorbereiten, desto besser auch der Outcome. Sind Vorerkrankungen wie Diabetes vor dem Eingriff gut eingestellt und potenzielle Vitaminmängel behoben, steigert dies die Wahrscheinlichkeit einer höheren Erfolgschance der OP. Ebenso durch Prärehabilitation und die Eindämmung bestehender Entzündungen, die zu Implantatinfekten führen können, kann der Gesamtzustand nach dem Eingriff optimiert werden. Eigenverantwortung ist das Stichwort. Denn gut vorbereitete Seniorinnen und Senioren profitieren von Kunstgelenken: “Sie können nach dem Eingriff oft wieder ein selbstständiges Leben führen und mobil bleiben”, stellt Privatdozent Dr. Stephan Kirschner, Präsident der AE, Direktor der Klinik für Orthopädie in den ViDia Kliniken, Karlsruhe, fest.

Fazit für die Praxis

Quellen:
  1. Online-Pressekonferenz der  Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) anlässlich des  24. AE-Kongresses vom 9. bis 10.12.2022 in Frankfurt am Main, 6.12.22, 11.00 bis 12.00 Uhr
  2. Pressemappe zur Online-Pressekonferenz der  Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) anlässlich des  24. AE-Kongresses vom 9. bis 10.12.2022 in Frankfurt am Main, 6.12.22, 11.00 bis 12.00 Uhr