Kasuistik: Neustart Injektionstherapie bei Typ-2-Diabetes

Eine Patientin mit Typ-2-Diabetes benötigt eine Therapieoptimierung wegen Nicht-Erreichen des HbA1c-Zieles. Welche Änderung würden Sie vornehmen?

Injektionstherapie bei einer Patientin mit Typ-2-Diabetes

Anamnese

Frau F. ist eine 61-jährige Patientin, die zur Therapieoptimierung wegen Nicht-Erreichen des HbA1c-Zieles von ihrem Hausarzt an die Diabetes-Schwerpunktpraxis überwiesen wird. Ein Diabetes mellitus Typ 2 ist seit 8 Jahren bekannt. Die Patientin gibt an, der HbA1c-Wert sei in den letzten 3 Quartalen von ursprünglich etwa 7 % auf jetzt 8,7 % angestiegen. Sie messe gelegentlich selbst den Blutzucker, meist morgens nüchtern vor dem Frühstück und habe auch hier einen Anstieg von etwa 130 mg/dl auf jetzt 150-170 mg/dl festgestellt. Das aktuelle Gewicht von Frau F. beträgt 105,3 kg bei 169 cm Größe, entsprechend einem BMI von 36,8 kg/m2.

Persönliches

Frau F. ist Personalsachbearbeiterin, hat also eine sitzende Tätigkeit. Auch in der Freizeit bewegt sie sich nach eigenen Angaben eher wenig. Sie fährt täglich eine Strecke von 25 km mit dem PKW zur Arbeit. Frau F. versucht sich diabetesgerecht zu ernähren, allerdings habe sie es bisher nie geschafft, längerfristig das Körpergewicht zu reduzieren. 

Diagnosen

Bisherige Therapie

Candesartan 32 mg 1-0-0
Amlodipin 10 mg 0-0-1
ASS 100 mg 1-0-0
Rosuvastatin 20 mg 0-0-1
Sitagliptin 50 mg/Metformin 1000 mg 1-0-1
Empagliflozin 10 mg 0-0-1

Labor

HbA1c 8,7 %, Nüchtern-BZ 169 mg/dl (9,4 mmol/l). Kreatinin 1,01 mg/dl, eGFR nach CKD-EPI 60,2 ml/min. LDL 48 mg/dl. Albumin-Kreatinin-Quotient (UACR) 87 mg/g Kreatinin. 

Welche Therapieänderung würden Sie bei Frau F. vornehmen?

  1. Dosiserhöhung Empagliflozin auf 25 mg
  2. Zusätzliche Gabe eines Sulfonylharnstoffs
  3. Zusätzliche Gabe eines GLP-1-Rezeptoragonisten
  4. Zusätzliche Gabe eines Basalinsulins
  5. Zusätzliche Gabe eines schnell wirkenden Insulins zu den Mahlzeiten

Schreiben Sie uns gern in den Kommentaren, wozu Sie tendieren.


Hier erfahren Sie, wie letztendlich vorgegangen wurde:

Weiteres Vorgehen

Frau F. wird bereits mit einer oralen Tripletherapie aus Metformin, DPP-IV-Hemmer und SGLT2-Hemmer behandelt. Es muss also mit der Patientin besprochen werden, dass eine weitere Eskalation der OAD-Therapie nicht sinnvoll ist, sondern dass eine Injektionstherapie begonnen werden muss. Hierbei stellt sich generell die Frage, ob dies dann die Gabe eines GLP-1-Rezeptoragonstisten sein sollte oder der Beginn einer Insulintherapie durch Gabe von Basalinsulin (BOT). 

Zwar spricht der erhöhte Nüchtern-Blutzucker für die Therapie mit Basalinsulin, allerdings würde diese Therapie weder günstige Gewichtseffekte noch eine positive Auswirkung im Sinne der kardiovaskulären Prävention bedingen. Zudem müsste die Patientin regelmäßig morgens den Blutzucker messen, die Insulindosis entsprechend individuell anpassen und hätte ein prinzipielles Risiko für Hypoglykämien. Gerade über letzteres müsste die Patientin aufgeklärt werden, da sie in der Zeit der Dosisfindung des Insulins nicht aktiv am Straßenverkehr teilnehmen dürfte, also auch nicht mit dem PKW zur Arbeit fahren dürfte. 

Bei der Entscheidung für einen GLP-1-Rezeptoragonisten könnte Frau F. vermutlich zusätzlich Gewicht reduzieren, hätte kein Hypoglykämierisiko und könnte optional nur einmal pro Woche spritzen, was patientenseitig immer sehr begrüßt wird. Zusätzlich können GLP-1-RA gemäß Datenlage das kardiovaskuläre Risiko senken. 

Therapieanpassung und weiterer Verlauf

Frau F. beginnt eine antidiabetische Injektionstherapie mit Dulaglutid 1,5 mg einmal pro Woche. Damit ist vom DPP-IV-Hemmer Sitagliptin kein Effekt mehr zu erwarten und dieser wird abgesetzt. Die Therapie mit Metformin sowie Empagliflozin wird fortgeführt. Die weitere Einnahme des SGLT2-Hemmers ist wegen der KHK mit Stent sowie der Nephropathie mit pathologischer UACR zur Kardio- und Nephroprotektion weiterhin wichtig und notwendig. 

In den nächsten 3 Monaten sinkt der HbA1c bei Frau F. von 8,7 % auf zunächst 7,6 % und nach 6 Monaten auf 6,8 %. Frau F. kann insgesamt 9 kg Körpergewicht reduzieren, so dass der BMI jetzt bei 33,7 kg/m2 liegt. Die Therapie wird gut vertragen und Frau F. ist nach der Gewichtsabnahme motiviert, durch vermehrte Bewegung eine weitere Gewichtsreduktion zu erzielen. Sie hat daher begonnen, wieder regelmäßig zügig zu gehen und am Wochenende kleine Radtouren zu unternehmen. 

Fazit

Gerade bei adipösen Patienten mit erhöhtem HbA1c sollte die erste Injektionstherapie bevorzugt aus einem GLP-1-Rezeptoragonisten bestehen und nicht aus einer Basalinsulin-Therapie. Dieses Vorgehen ist klinisch sinnvoll und in vielen Leitlinien auch explizit so empfohlen. 

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Über den Autor

Dr. med. Marcel Kaiser ist niedergelassener Facharzt für Innere Medizin in einer eigenen Diabetologischen Schwerpunktpraxis in Frankfurt.